: Frauen, die trinken
■ Im Rahmen des von der Bürgerschaft beschlossenen „Aktionsplans Alkohol“ fand im Zentralkrankenhaus Ost eine Fachtagung zum Thema „Frauen und Alkohol“ statt
Kulisammler aufgepaßt: Es gibt einen neuen Kuli auf dem Markt, der heute schon als Rarität zu bezeichnen ist. Er hat drei lila Streifen und trägt die Inschrift: Frauen trinken anders. Die Nachfrage unter Männern ist groß.
Gestern fand im Krankenhaus Ost eine Fachtagung zum Thema „Frauen und Alkohol“ statt, deren Organisatoren nämlichen Kugelschreiber in Auftrag gaben. Veranstalter waren das Landesinstitut für Schule – Suchtprävention Bremen und der Senator für Frauen, Gesundheit etc. – Referat Suchtkrankenhilfe.
830.000 Alkoholkranke gibt es schätzungsweise in Deutschland, zwischen 15.000 und 22.000 in Bremen, ein Drittel davon sind Frauen. Das Problem: Frauen, sagt die Psychologin Klaudia Winkler, werden nicht behandelt, sondern „mitbehandelt“. Der männliche Trinker sei gut erforscht, die Trinkerin jedoch kaum, obwohl ihre Krankheit andere Ursachen habe und nach anderen Therapieformen verlange.
Alkoholabhängige Frauen, so Winkler, seien nicht nur aufgrund ihrer Krankheit stigmatisiert, sondern gelten darüberhinaus auch noch unter Säufern als „die schlechteren Alkoholiker“. Betrunkenen Frauen werde schnell Affinität zu Promiskuität und Prostitution nachgesagt, wo der Rausch bei Männern noch als Zeichen von Erwachsensein durchgehen kann. Weibliches Trinken sei ein Tabu, der Tabubruch führe zu Schuld- und Schamgefühlen.
Der Forschungsstand ist traditionell miserabel, doch gesichert scheint, daß Frauen aus anderen Gründen zur Flasche greifen als Männer. Frauen trinken in Krisen, bei emotionalem Stress und familiären Problemen. Trinken steht nicht selten in Zusammenhang mit schlechten sexuellen Erfahrungen. Betrunken ist der miese Sex besser auszuhalten, eine unter Männern kaum verbreitete Einstellung. Diese saufen öfter in Gesellschaft. Frauen erleben den Vollrausch dagegen eher heimlich und zu Hause – außer Weiberfastnacht bietet die Öffentlichkeit ihnen kaum Orte für ungehemmte Alkoholzufuhr. Auch die Konsequenzen des Trinkens scheinen andere zu sein: Alkoholkonsum führt bei Frauen schneller zu Schädigungen und Abhängigkeit. Die Gefahr für eine Trinkerin, vom Partner verlassen zu werden, ist viermal so groß wie für den alkoholkranken Mann.
Die gesellschaftliche Stigmatisierung einer Alkoholikerin scheint noch größer zu sein als für ihr männliches Pendant. Dabei entwickeln Frauen offenbar ausgeklügelte Strategien, nicht weiter aufzufallen. Und die Männer machen mit, indem sie nicht hinsehen. Katastrophenstimmung herrscht erst, wenn nichts mehr zu verheimlichen ist. Die Dortmunder Psychologin Prof. Alexa Franke hat herausgefunden, daß die Scheidungsquote bei abhängigen Frauen fünf mal so hoch ist wie bei „nur“ trinkenden. Berücksichtigt man, daß europaweit weiblicher Alkoholismus – anders als bei Männern – stärker in besser situierten Verhältnissen vorkommt, kann man den Anpas-sungsdruck erahnen, unter dem solche Frauen stehen. Dieser hat Auswirkungen auf die Bereitschaft, Therapieangebote anzunehmen.
Eine frauenspezifische Alkoholismustherapie müsse, sagt Klaudia Winkler, nicht nur die Frage der Kinderbetreuung klären. Sondern auch auf erlittene Gewalterfahrungen, Sexprobleme, Konflikte mit Frauenrolle/Mutterrolle eingehen. Therapieeinrichtungen mit strengem Reglement, evtl. rüdem Umgangston und Anmache durch Mitpatienten tun Frauen, deren Selbstwertgefühl meist schwach entwickelt ist, nicht gut.
BuS
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