: Suche nach dem heiligen Geld
■ Neu im Kino: „Sakikos geheimer Schatz“ von Shinobu Yaguchi weckt die Kompromißlosigkeit in den Herzen der Zuschauer
Sakiko denkt nur ans Geld. Die junge, linkische Japanerin liebt nichts so sehr (eigentlich liebt sie sogar nichts und niemanden anderes) wie Geldscheine zu zählen. Wenn tatsächlich mal ein Junge mit ihr ausgehen will, läßt sie sich lieber das Geld für Drinks, Kinokarten und Essen vorher in bar ausbezahlen. Solch eine Besessenheit ist selbst im japanischen Kino selten. Sakiko glaubt, in einer Bank ihren Traumjob gefunden zu haben. Aber anderer Leute Geld zählt sich nicht halb so schön. So träumt sie von einem Banküberfall, bei dem das geraubte Geld irgendwie in ihrer Sparbüchse landet. Prompt wird ihre Bank überfallen, prompt wird sie als Geisel mitgeschleppt und prompt ist sie die einzige Überlebende, die weiß, wo das Geld ist. Aber weil der Koffer in einem unterirdischen See gelandet ist, muß Sakiko Himmel und Hölle in Bewegung setzten, um all das schöne Geld schließlich zählen zu können.
Der Witz bei dieser rasanten Satire liegt darin, daß Sakiko in aller Unschuld so extrem geldgierig ist. Viele Wege führen zur Erleuchtung, und die junge Japanerin wird bei der Jagd nach ihrem geheimen Geldschatz ganz nebenbei eine Musterschülerin, Schwimmeisterin, Weltrekordlerin in Extrembergsteigen und weise. Denn wenn sie die 500.000.000 Yen schließlich hat, interessiert sie das Geld nicht mehr, und sie begibt sich flugs auf die Suche nach dem nächsten heiligen Gral. Regisseur Shinobu Yaguchi erzählt diese Geschichte mit einem anarchisch, surrealen Humor und mit minimalistischen Trickaufnahmen, wilden Schnittfolgen und einer raffinierten Erzähltechnik, die es unmöglich macht, den nächsten komischen Dreh vorwegzuahnen. Und er ist bei all dem sehr witzig. Neben „Shall we Dance“, der in der nächsten Woche in die Kinos kommt, ist dies schon die zweite rundherum gelungene Komödie aus Japan. Und am meisten lacht man bei „Himitsu no Hanzono“ (so der Originaltitel) immer dann, wenn Sakiko ihren biederen Mitjapanern auf ihrer immer absurderen Schatzsuche rücksichtslos durch die Konventionen flitzt.
Faszinierend ist auch, wie der Regisseur seine Protagonistin zeigt, denn man kann eine Antiheldin kaum unvorteilhafter aussehen lassen, als es Yaguchi mit der hy-peraktiven Geldanbeterin macht. Man mag kaum glauben, daß die Hauptdarstellerin Naomi (!) Nishida in Japan ein gefeiertes Fotomodell ist, so unattraktiv wirkt dieses häßliche Entlein. Yaguchi greift nie auf die gängigen Konventionen zurück, mit denen Filmemacher das Publikum dazu bringen, sich mit den Filmhelden zu identifizieren. Deshalb bleibt es sein Geheimrezept, wie er es schafft, daß uns diese durchgeknallte Japanerin im Lauf des Films immer sympathischer wird. Vielleicht wollen wir alle tief in unserem Herzen auch so kompromißlos nach unseren Schätzen suchen, vielleicht freut es uns auch, daß ein kleines Mädchen noch viel geldgeiler und erfolgreicher ist als all die großen, korrekten Japaner. Auf jeden Fall ist dies eine von den wenigen Komödien, die nicht aus Hollywoods Traumfabrik rollen und die trotzdem gut reisen können.
Wilfried Hippen
OmU heute, So., Mo., u. Di. um 20.30 Uhr sowie am Sa. um 22.30 Uhr im Kino 46
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen