Erfolgreiches Mahnen für freundliche Übernahme

■ Nach 222 Tagen Mahnwache am Alexanderplatz zogen die Traktorenwerker aus Schönebeck gestern ab. Ein Investor aus Nordrhein-Westfalen will 190 Arbeitsplätze sichern

222 Tage währte ihre kleine Traktoren-Mahnwache am Alexanderplatz. Mit drei landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen und ständiger personeller Präsenz im nebenstehenden Campingmobil dauerprotestierten die Beschäftigten der Landtechnik Schönebeck (LTS) sowie MitarbeiterInnen des Tochterunternehmens GS Fahrzeug- und Systemtechnik für die Übernahme ihres Betriebes durch einen West-Investor. Gestern mittag konnten nun binnen fünf Minuten die roten IG-Metall-Transparente von dem betriebseigenen Feldhecksler, der seitdem zweckentfremdet vor der Zentrale der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) parkte, gerissen werden. Der Verwaltungsrat der BvS bewilligte gestern mittag einstimmig die Übernahme des einstigen und einzigen DDR-Traktorenherstellers durch die Doppstadt Umwelttechnik GmBH.

Mit einem bescheidenen Demonstrationszug schlenderten zuvor rund 180 der 260 MitarbeiterInnen von der Jannowitzbrücke zum Büro der BvS am Alexanderplatz. Dort wurden sie gebührend von den Kollegen der letzten Mahnwache mit frisch gegrillten Bratwürsten und einem stolzen Lächeln auf den Lippen empfangen. „Ich war schon mehrmals hier bei der Mahnwache dabei“, erzählt Lutz Elsholz, während er die Würste umdreht, „aber viel gab es nie zu tun.“ So kamen Tag für Tag verschiedene Schönebecker KollegInnen direkt von ihrer Schicht nach Berlin, um im eigens dafür herbeigeschaffenen Wohnmobil präsent zu sein. „Ab und zu kamen ein paar neugierige Leute vorbei, denen wir dann unsere beklemmende Situation erläuterten“, berichtet der gelernte Schweißer weiter, „ansonsten haben wir einfach nur gewartet und gehofft.“ Das hoffende Warten hat sich durchaus gelohnt. Nach erst enttäuschender Nachricht, die Herren von der BvS seien noch eine halbe Stunde länger am Verhandlungstisch, trat der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Manfred Schüler, dann doch relativ rasch auf die umgeworfene Metallkiste, welche provisorisch als Rednerpodest diente: „Die intensiven Bemühungen aller Beteiligten zum Erhalt der LTS und GS sowie die Sicherung des Standortes Schönebeck konnten erfolgreich abgeschlossen werden.“ Schlüter spricht von „190 dauerhaft gesicherten Arbeitsplätzen“ in der Firma Doppstadt sowie von der Verpflichtung des nordrhein-westfälischen Investors, „die Fortführung des Unternehmens für mindestens acht Jahre“ zu gewährleisten. Seine Worte fanden zwiespältigen Anklang. Während Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase von einem „Flaggschiff“ spricht, welches Schönebeck erhalten bleibt, reagiert ein Großteil der anwesenden Belegschaft mit nüchternem Applaus. „Es werden ja schließlich nicht alle übernommen“, erinnert der fast 55jährige Helmut Zerkel, „ich kann lediglich hoffen, daß ich auch dabei bin!“ Katrin Cholotta