: Querspalte
■ Das Recht auf gezieltes Saufen in unzurechnungsfähigem Zustand
Die Kleinstadt Elmshorn, nordwestlich von Hamburg gelegen, verfügt über eine Trabrennbahn und einen Bahnhof, der ins Streckennetz der Deutschen Bahn eingebunden ist und somit immerhin schnelle Fluchtmöglichkeiten in relativ zivilisierte Gegenden garantiert (Itzehoe! Husum!). Weitere Annehmlichkeiten hat der Ort allerdings nicht zu bieten.
Um so schlimmer, daß die geschundenen Eingeborenen seit einigen Wochen auch noch unter der sogenannten Trinkersatzung zu leiden haben. Derzufolge ist „das Niederlassen zum Alkoholgenuß außerhalb zugelassener Freisitzanlagen von Gaststätten“ von nun an strengstens verboten.
Das fuchst natürlich besonders die ortsansässigen Punks, die seitdem nicht mehr tun dürfen, wofür sie von Gott, Sid Vicious und der Bild-Zeitung geschaffen wurden: in der Öffentlichkeit Dosenbier picheln. Aber warum dürfen sie dies nicht? „Niemand hat Anrecht auf gezieltes Saufen in einem unzurechnungsfähigen Zustand“, sagt die Bürgermeisterin, eine „Juristin“ (Hamburger Morgenpost) aus der Partei des Kriegskanzlers.
Doch womöglich bleibt Elmshorn nicht mehr lange trokken, denn die sozialdemokratische Ortsvorsteherin hat sich nicht mit irgendwelchen Pennern, sondern den falschen Leuten angelegt. Denn zur lokalen Punk-Elite gehört nämlich auch ein pfiffiger Bursche namens Andreas Forte.
Der 21jährige sieht aus wie eine Daily-Soap-Figur und kennt seine Bürgerrechte, aber hallo! Also hat der Dosenbier-Gourmet eine Normenkontrollklage beim Oberverwaltungsgericht Schleswig eingereicht. Und die Szene ist bereits siegesgewiß. Schließlich, sagt ein rastagelockter Gesinnungsgenosse Fortes dem Reporter eines lokalen Fernsehsenders, verstoße die Verordnung „gegen die Grundrechte der Menschheit“.
Derartig beseelt vom Glauben an den Triumph über das Böse, haben Forte und seine Kameraden für heute zu einer Demonstration in Elmshorn aufgerufen, zu einer Beer Parade quasi. Motto: „Freunde des Alkohols gegen die Trinkersatzung“. Eins ist sicher: Es wird der Höhepunkt in der Geschichte der Stadt. René Martens
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen