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Ein ungewöhnlich normaler Held

Vor sechzig Jahren erblickte er das Licht der Welt, genauer: das fahle Kunstlicht von Gotham City. Seither hat Batman die trash-orientierte Welt des Comics mit beherzten Flugschauen und seinem Gummischlüpfer stets in Atem gehalten. Wie man ein maskierter Latexfetischist sein und dennoch keinen Sex haben kann, erläutert  ■ Jenni Zylka

Man sieht ihm sein Alter nicht an. Obwohl: Viel sieht man ohnehin nie von ihm, dem Verbrechensbekämpfer im Gummianzug in der Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate der Welt. Eckige Kinnpartie und hin und wieder aufblitzende Augen unter spitzohriger Maske, unbewegliche Lippen, Bodybuildermuskeln in graublauem Catsuit, „definiert“ nennen das die Fitneßstudiogänger. Gotham City hätte ohne ihn arge Tourismusprobleme: Wer würde in eine dunkle, unfreundliche Großstadt fahren, in der es von verrückten Superverbrechern wimmelt? Aber die nutzlose Gothampolizei, über die in jedem anderen Teil der Welt Rücktrittsforderungen niederprasseln würden, strahlt das Fledermauszeichen, das Batsignal, in den nebeligen Nachthimmel – und schon kommt der Maskierte angebraust. Per Batmobil, Batcopter, Batplane, oder was er sich in seinem Batcave sonst noch ausklamüsert hat. Geld spielt dabei keine Rolle, und reale technische Grenzen schon gar nicht. Das Batmobil fährt mit Atompower, von der Batmankappe aus kann man in die Höhle funken, an den Batstrippen könnten sich zur Not Batman plus eine zu rettende Schönheit in der Linken und fünf Sumoringer in der Rechten abseilen. Dabei ist Batman immer Gentleman – das macht die gute Erziehung.

1939 gibt es in der New Yorker Comicszene Superman – der Außerirdische im roten Umhang wurde ein Jahr zuvor von Joel Schuster und Jerry Siegel erfunden und hatte schnell enormen Erfolg. Die Comiczeichner jener Tage waren fast ausschließlich irisch-amerikanische oder jüdische Künstler und fasziniert von der Idee des Superhelden – diesen Wesen mit übermenschlichen Kräften, die für das Gute kämpften. In einer der ersten Storys mußte Superman gegen Nazispione antreten, und natürlich machte er schnell kurzen Prozeß. Auch Batman besiegt Hitler in einem Comic von 1943. Comicinterpretatoren sprechen von der Identifikationsfigur Superman für jüdische Emigranten; immerhin ist auch er „eingewandert“, und er hat durch seine praktischen Superkräfte den Erfolg, den sich die jüdischen Neuamerikaner erträumten.

Bob Kane, 23jähriger New Yorker, arbeitete damals als Zeichner in Will Eisners Comic Studios, und guckte sich die Maske bei Zorro, den Flügelumhang bei Leonardo Da Vincis Flugmaschinenstudien, und die gruselige Fledermausattitüde bei einem B-Movie namens „The Bat Whispers“ ab. Der Autor, also Textverantwortliche der Abenteuer, hieß jedoch Bill Finger, dessen Einfluß wurde im Laufe der Jahre von Kane so weit heruntergespielt, daß man ihn schließlich als alleinigen Schöpfer der Figur ansah.

Auch andere Zeichner und Autoren hatten ihre Ideen mit im Spiel, es war damals wie heute üblich, eine Figur und ihre Erlebnisse nicht nur von einem einzigen kreativen Menschen weiterentwickeln zu lassen. Batman, der Fledermausmann, tauchte zum ersten Mal im Mai 1939 in dem Comicsammelheft „Detective Stories 27“ auf. Wie in einem gezeichneten Film Noir schleicht, springt und schwebt das anfangs noch sehr minimalistisch gehaltene Spitzohr durch Gotham Citys enge Gassen.

Es wird gemunkelt, daß der Schöpfer damals einfach noch nicht gut genug malen konnte und darum seine Kreatur mit dem traurigen, statischen Blick und nur wenigen Gebärden versah. Der Batman der späten dreißiger und frühen vierziger Jahre war jedenfalls eine düstere, mysteriöse Gestalt: ein Kämpfer für das Gute zwar, aber eigentlich ein Antiheld – tief im Innern zerrissen und schwer traumatisiert. Kein Wunder: Bruce Wayne nämlich mußte als unbekümmerter Springinsfeld auf dem Rückweg aus dem Kino (ein Zorro-Film!) mitansehen, wie seine Eltern einem Gewaltverbrechen zum Opfer fielen.

Aus dem Millionärsknaben wird ein Waisenkind mit gebrochenem Herzen und einem festen Entschluß: Tod und Verderben allen Verbrechern! Was genau in dem jugendlichen Rächer vorging, verschweigt Bob Kane, sein Batman ist trotz andauernder Selbstzweifel das Gegenteil von einem Gefühle zeigenden Softie, er ist introvertiert und läßt lieber Taten sprechen, ein Actioncomic ist eben kein Therapieprotokoll. Der junge Bruce benutzt sein geerbtes Vermögen, um sich im Kriminelle-Jagen auszubilden, er trainiert, damit der Anzug sitzt, und kostümiert sich, seit er eines Nachts von einer Fledermaus erschreckt wurde, mit blauem Unhang und Stiefeln, graublauem Anzug und gelbschwarzen Logo auf der Brust, wann immer er auf Verbrecherjagd geht.

Die Maske, die im Laufe der Jahre übrigens zusehends kurzohriger wurde, verbirgt sein öffentlich bekanntes Gesicht – Bruce Wayne ist einer der angesehensten Bürger Gothams. Im Batgürtel stecken die wunderlichsten und praktischsten Erfindungen: Magneten, die zur Not den ganzen Mann halten können, und allerlei Verteidigungsgeräte. Der gelbe Gurt wird so zu einer Art Mary-Poppins-Handtasche für Superhelden. Trotz technischem Firlefanz bleibt Batman aber offiziell ein normaler Mensch, und das ist das Ungewöhnliche.

Denn während Superman und Supergirl von einem fremden Planeten kommen, Spiderman und Flash in Laborexperimenten zu Superhelden mutieren, Captain Marvel und Wonder Woman ihre Kräfte von ihren Vorfahren erben, hat Batman sich seine Außergewöhnlichkeit quasi selbst erarbeitet: Er ist ein echter Self-made-hero.

Heroisch wie seine Taten ist auch seine ewige Selbstkasteiung in bezug auf weibliche Reize. Da kann Catwoman, die katzenhafte Diebin, noch so schnurren, Bruce Waynes Freundin, die Journalistin Vicky Vale, noch so verführerisch mit den Wimpern klimpern und der Gummianzug noch so kneifen: Verbrecherjagd geht über Sex. Und Batman hat alle Hände voll zu tun, was ihm allerdings nicht immer gut bekommt: In den Nachkriegsjahren, unter dem Einfluß anderer Zeichner und sich ändernder Zeiten, wird aus dem ambivalenten Rächer ein herzensguter, langweiliger Freund und Helfer. Er rettet sich und andere bis in die sechziger Jahre, in denen die Batmanstorys als TV-Show verfilmt werden – nach zwei mäßig erfolgreichen Kinoversuchen in den Vierzigern.

Der stämmige Adam West, dem das Kostüm immer ein wenig eng in der Taillengegend scheint, spielte den caped crusader in der ABC-Fernsehversion von 1966 bis 1968. Die Serie war anfangs ein großer Erfolg – wenn auch eher ein Lacherfolg, nicht zuletzt wegen des unglaublich hölzernen Spiels von West und der albernen Kommentare von Burt Ward als Robin, The Boy Wonder. „Heilige Feuerleiter, Batman!“ entfährt es dem etwa, als die beiden ein Gebäude hochklettern müssen.

Batmans Helfer ist ein vorwitziger Waisenjunge, der erstmals als Dick Grayson oder Nightwing 1940 im Heft auftauchte. Später bekam Nightwing seine eigenen Comics und ließ das Robinkostüm für seinen Nachfolger zurück. Zusammen mit der swingenden Titelmusik von Neil Hefti, die zum Instrumentalhit wurde (“Däddä- däddä-däddädäddä – Batman!!!“), der psychedelischen, popartigen Kulisse und den „Pow!“ und „Bang!“-Animationen, die während der albernen Kampfszenen eingeblitzt wurden, entwickelt sich die Campserie mit den vielen schrägen Kameraeinstellungen und auch der dazu produzierte Spielfilm „Batman hält die Welt in Atem“ zu Trashkultklassikern. Allerdings nur bei denen, die nicht schon Batman-Comicfan waren: Die nämlich lehnen Spielfilmadaptionen naserümpfend ab.

In den Siebzigern gibt es weiterhin Comics und TV-Zeichentrickserien, in den Achtzigern findet der six foot two hohe Geldsack wieder zu seinem eigentlichen, seinem dunklen Selbst zurück: „Batman, The Dark Knight“, gezeichnet von Frank Miller, wird 1986 veröffentlicht und läutet eine neue Ära ein. Warner Brothers riecht nämlich plötzlich das Geld, das unter den Fledermausflügeln steckt, und die Merchandisingmaschinerie zum Kinofilm mit Michael Keaton (und Joker Jack Nicholson) stellt 1988 alles Vorangegangene in den Schatten. Vom Bat-Q-Tip, dem Wattestäbchen zum Film, bis zum kompletten Kostüm wird die westliche Welt mit Batdevotionalien zugeschmissen, bis endlich der Film in die Kinos kommt und verhältnismäßig floppt.

Warum die tricktechnisch aufwendige, mit einem verdienten Oscar für die grandiose, dunkle Gothamkulisse ausgezeichnete Fantasystory unter der Regie von Märchenfan Tim Burton und auch die drei folgenden, zum Teil wunderbar unterhaltsamen und fantastisch ausgestatteten Batmanfilme nie so richtig Anklang beim Kinopublikum fanden, hängt wohl mit dem Wesen der potentiellen Batmanfans zusammen.

Will Brooker heißt ein Fan, der es erklären kann. An der englischen Cardiff University macht der 28jährige seinen Doktortitel zum Thema „Batman“ im Fach „Cultural Studies“. Brooker hat mit sechs seine erste kleine Batmanstory geschrieben: „Ich habe damals den Batman aus dem Comic und den aus der Fernsehserie gleichermaßen vergöttert.“ Er glaubt, daß die Welt der Fledermaus vor allem von männlichen, weißen Lesern geliebt wird, die, sofern sie echte Fans sind, „vermutlich die TV- und Kinoversionen nie akzeptieren werden, weil sie zu sehr von ihrer eigenen Batmanvorstellung abweichen“.

Trotz des Versuchs, schwach erzählte Liebesgeschichten in die Filme einzufriemeln – interessant sind eigentlich nur die „bösen“ Frauenfiguren wie Catwoman und Poison Ivy. Und mit denen darf Batman, der Gute, selbstverständlich nicht... Trotz Sexsymbol George Clooney oder Musik von Prince ist die Saga um das Spitzohr kein Film für Frauen. Die machen aber einen Großteil der Kinokonsumenten aus.

Batmanexperte Brooker glaubt, daß das Leben im Zölibat aus „der Umleitung seiner sexuellen Energie in seine Mission“ resultiert. „Batman hatte bestimmt keinen Sex mehr, seit er zwanzig war, als er sich noch zum Superhelden ausbildete.“ Brooker erzählt, daß in einer Comicstory Robin vom Joker vergewaltigt wurde. Die Szene wurde später gestrichen, laut Verleger kann ein Hinweis auf eine versteckte schwule Identität Batmans oder Robins wegen übler Medienreaktionen nicht riskiert werden. Aber es existiert angeblich der Schwulenporno „Batman und Robin“, und man weiß ja auch nie, was die beiden mit den Latexanzügen in der Höhle treiben, wenn Alfred, der Butler, schlafen gegangen ist.

Demnächst wird Mel Gibson der Fledermaus ein neues Gesicht geben, und wieder wird das Medienecho groß und kritisch sein. Die Werbung wird sich selbst überschlagen, die Zuschauer werden wieder gähnen. Nur ein paar Superhelden- und Fantasyfilmfans werden mit leuchtenden Augen im Kino sitzen und sich freuen über das Märchen vom Mann, der alles kann. Und darüber, daß das profitorientierte Hollywoodkino es glücklicherweise immer wieder mit seinem amerikanischen Stiefelknecht versucht.

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