: Transrapid in der Schwebe
Heute beginnt in Hamburg die Erörterung des ersten Teilstücks für den Magnetgleiter. Wirtschaftlich und juristisch ist sein Bau zweifelhafter denn je ■ Von Gernot Knödler
Auch wenn möglicherweise alles für die Katz' ist: Heute vormittag beginnt das Erörterungsverfahren für den Transrapid in Hamburg. Als erster von drei Hamburger Bauabschnitten wird die Strecke von der Bille entlang der Autobahn bis zur Schleswig-Holsteinischen Landesgrenze diskutiert. 520 Einwendungsschreiben von Naturschutzverbänden und Privatleuten sind beim Baurechtsamt eingegangen, das die Erörterung organisiert. Dabei ist es zweifelhafter denn je, ob die schnelle Magnetschwebebahn, die Hamburg auf Vorortdistanz an Berlin heranrücken soll, gebaut wird.
Die prognostizierten Fahrgastzahlen gelten als übertrieben, die Kosten für die Stelzenstrecke müssen vermutlich nach oben korrigiert werden, Schleswig-Holstein hat gegen das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht und in Nordrhein-Westfalen warten die Geier: Erst in der vergangenen Woche wurde wieder lanciert, der Gleiter könnte auch zwischen den Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf pendeln. Morgen schließlich will der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn noch einmal gründlich über den Transrapid diskutieren.
Denn auch die Analysen der Bahn stellen die bisherigen Pläne in Frage, wie Albert Schmidt, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen dem Verkehrsausschuß des Bundestages mitteilte. Demnach wären auf der Strecke Hamburg – Berlin 28 Prozent weniger Fahrgäste zu erwarten als bislang prognostiziert. Der Fahrweg würde 7,1 bis 8,2 Milliarden statt der geplanten 6,1 Milliarden Mark kosten, wobei sich die rot-grüne Bundesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung darauf festgelegt hat, höchstens 6,1 Milliarden beizusteuern.
Diese Summe wäre nur zu halten, wenn die Magnetzüge im 30- statt im 20-Minuten-Takt verkehrten und große Teile der Strecke eingleisig gebaut würden. Entsprechende Überlegungen wurden von der Magnetbahnplanungsgesellschaft (MPG) der Bahn bestätigt. Für die Grünen käme eine abgespeckte Version, bloß „um formal die Kosten zu halten“, allerdings nicht in Frage. Gutachten bewerten die ursprünglichen Prognosen ebenfalls als unrealistisch. Der Bundesrechnungshof hält es nicht für ausgeschlossen, daß die Industrie von der Bahn ein höheres erlösunabhängiges Entgelt verlangen würde. Die Firmen Thyssen, Siemens und Adtranz wollen den High-Tech-Zug zwar bauen, aber nicht auf den möglichen Mehrkosten für den Fahrweg sitzen bleiben. Die Risiken, so die Wirt-schaftsforscher, lägen somit einseitig beim Bund.
Aufgrund der Normenkontrollklage Schleswig-Holsteins hat selbst das Bundesverfassungsgericht vom Bundestag aktuelle Verkehrs- und Erlösprognosen gefordert. Das Gericht fragt, warum ausgerechnet beim Transrapid keine regelmäßige Überprüfung der Bedarfsprognosen vorgeschrieben worden sei. Im Magnetschwebebahnbedarfsgesetz (MsbG) war 1996 schlicht dekretiert worden: „Es besteht Bedarf für den Neubau einer Magnetschwebebahnstrecke von Berlin nach Hamburg über Schwerin.“ Umweltschützer haben dies wiederholt scharf kritisiert.
Neben grundsätzlichen Einwendungen haben Kritiker ebenfalls eingewandt, die MPG habe wichtige Gutachten den Planunterlagen nicht beigelegt. Zudem sei der Korridor zu beiden Seiten der Strecke, für den mögliche Umweltfolgen untersucht wurden, zu schmal gewählt worden. Und schließlich unterschätzten die Planer die Wirkung mancher Eingriffe: Selbst wenn der Fahrweg nicht direkt auf der Erde liege, sondern auf Stelzen stehe, werfe er Schatten, die als Flächenverlust gewertet werden müßten.
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