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Mittdreißiger kicherten pubertär

■ Und der sechzehnjährige Popautor Benjamin Lebert las und wünschte fromme Wünsche

Benjamin Lebert, Erfolgsautor, sechzehn Jahre alt. Ein kleiner Junge? Mitnichten. Ein junger Mann mit Grundsätzen, der schon sehr früh nach seinem Erfolg verkündete, keine Lust mehr auf die ewig gleichen Interviews mit den immer gleichen Fragen nach seiner Behinderung (er hat von Geburt an einen Halbseitenspasmus), seiner Jugendlichkeit und der autobiographischen „Wahrheit“ seines ersten Buches „Crazy“ zu haben. So ist er, gemessen am Erfolg seines Buches, außerordentlich selten im Fernsehen zu sehen oder im Radio zu hören. Als es nun am Freitag in der Buchhandlung Kiepert möglich war, den Autor leibhaftig zu bestaunen, nahmen viele das Angebot wahr.

Über hundert Leute hatten schon im Vorverkauf Karten erstanden, am Abend selbst kamen noch mehr, das Lesecafé der Buchhandlung an der Schönhauser Allee platzte aus allen Nähten. Das Publikum war bunt gemischt, elegante Rotweintrinkerinnen standen zwischen Normalos und Jungs und Mädchen, die mit Lebert nicht nur das Alter teilen, sondern wahrscheinlich auch die Erfahrungen. Es war wie bei einem Popkonzert.

Und ein Popereignis blieb auch der weitere Abend. Benjamin Lebert setzte sich ganz selbstverständlich an seinen Lesetisch, erklärte, daß er schon ein wenig aufgeregt sei, nahm einen Schluck Spezi und begann den Anfang seines Buches vorzulesen. Nicht schüchtern, fast schon routiniert. Seine Überleitungen zwischen den Textpassagen fielen knapp aus. Ein „Jungsgespräch“ vorzulesen und eine Stelle, in der es um seine Behinderung geht, „ist mir wichtig“. Zudem las er nur die Exposition seiner Erzählung – „wer wissen will, wie es weitergeht, muß das Buch lesen“.

Das Lesen selbst übrigens war gleichfalls routiniert. Zwar mit starkem bayerischem Akzent, doch sehr deutlich, ohne Hast und angemessen betont. Lacher nahm er selbstgewiß zur Kenntnis, und auch bei dem Wort „Sex“ stockte er nicht. Ganz im Gegensatz zum Großteil seiner Zuhörer. Jede Passage, in der es um Sex geht, wurde – hihi – bekichert, und als das Wort „Supertitten“ fiel, war kein Halten mehr, so daß der noch nicht Wahlberechtigte am Mikrofon erwachsener wirkte als manche Mittdreißigerin im Raum. Am Ende der gut dreiviertelstündigen Lesung stürzte das Publikum umstandslos nach vorn, um sich die „Crazy“-Exemplare signieren zu lassen, eine junge Frau kaufte das Buch sogar gleich noch mal, da sie ihr eigenes zu Hause vergessen hatte.

Lebert nahm es gelassen hin, daß ihm die Kulturindustrie ein Popstarimage verpaßt hat.

Darum wohl verabschiedete er sich mit einem Satz, den man so sonst nur von Jochen Distelmeyer hört: „Kommt gut nach Hause, und kommt gut klar mit eurem Scheiß daheim.“ Aus Leberts Mund klang dies allerdings mehr fromm als ehrlich. Jörg Sondermeier

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