: Ein Havemann als Jagdtrophäe der PDS
Seinem Vater Robert Havemann hatte die SED übel mitgespielt, den Künstler Florian Havemann will die PDS nun als Verfassungsrichter vorschlagen. „Ich würde auch für die CDU kandidieren“ ■ Von Georg Gruber
„Ich weiß, daß meine Entscheidung, für die PDS zu kandidieren, schwer vermittelbar ist“, sagt Florian Havemann,„aber die haben mich an einem Punkt erwischt, wo ich nicht nein sagen konnte: Ich fühle mich als loyaler Staatsbürger verpflichtet.“ Florian Havemann, der Sohn des DDR-Dissidenten Robert Havemann, ist die jüngste Trophäe der PDS auf der Jagd nach prominenten Namen. Heute will die PDS-Fraktion in Potsdam entscheiden, ob sie ihn als Verfassungsrichter für Brandenburg vorschlagen wird. Eine Kandidatur, die Fragen aufwirft. Was bewegt einen Künstler, Verfassungsrichter werden zu wollen? Und: Wie paßt das zusammen, daß jemand, der als Jugendlicher das SED-Regime kritisierte, sich nun von der PDS aufstellen läßt? Florian Havemann war als 16jähriger wegen „staatsfeindlicher Hetze“ für vier Monate inhaftiert worden. 1971 floh er in den Westen und lebt seitdem in Kreuzberg.
Robert Havemanns Sohn sieht sich parteipolitisch ungebunden – auch gegenüber der PDS. Trotzdem verbinde ihn mit dieser Partei eine Vertrautheit, aber eine, die „einen bitteren Nebengeschmack“ habe. Havemann hatte trotz seiner Flucht die DDR nie öffentlich verteufellt. „Ich komme ja aus einem Milieu, wo alle in der SED waren. Da weiß man, daß das nicht alles Idioten waren, sondern Leute dabei waren, die Gutes wollten.“ Wenn Havemann von seiner Vergangenheit erzählt, erzählt er auch davon, daß er selbst seine Flucht als Verrat gesehen habe. Genauso wie sein Vater und Wolf Biermann, der für ihn „wie ein älterer Bruder“ gewesen war und über seinen „Verrat“ ein Lied schrieb. Nein, wehrt er ab, seine Kandidatur sei nicht ein Versuch der Wiedergutmachung. „Ich würde auch für die CDU kandidieren.“
Die Wände und der Fußboden in Havemanns Arbeitszimmer sind voller Farbspritzer. Er hat gemalt und sich immer mit Theater beschäftigt, ohne den großen Durchbruch geschafft zu haben. Heute sieht er sich in erster Linie als Autor, der Theaterstücke schreibt. „Eigentlich wollte ich ja als Künstler wahrgenommen werden, und jetzt geschieht mir das.“ Die einzige Verbindung, die zuvor zur PDS bestanden habe, war die, daß er vor einiger Zeit öffentlich ihren Chef kritisiert habe. Bisky hatte unerlaubt eine Stellungnahme der Havemann-Geschwister veröffentlicht, in dem diese Gregor Gysi als Anwalt ihres Vaters ein gutes Zeugnis ausstellten. „Bisky meinte daraus den Schluß ziehen zu können, Gysi sei kein IM gewesen, dem hab ich widersprochen, denn das entzieht sich meiner Kenntnis.“
Havemanns Nominierung ist noch nicht sicher. „Sowohl Aufgeschlossenheit als auch Skepsis“ – so beschreibt Heinz Vietze,Geschäftsführer der PDS-Fraktion in Brandenburg, die Stimmung nach dem Besuch von Havemanns. Neben Havemann sind die Potsdamer Rechtsanwältin Sarina Jegutidse und der Strafrechtler Volkmar Schöneburg als Kandidaten für die zwei der PDS zustehenden Richterstellen im Gespräch. Drei der neun Richter im Verfassungsgericht Brandenburgs dürfen Nicht-juristen sein. Die Kandidaten brauchen eine Zweidrittelmehrheit im Landtag – ohne die SPD geht es also nicht. Im letzten Herbst war die PDS mit ihren beiden Kandidaten im Landtag gescheitert. Kurz vor der Wahl war die sicher geglaubte Mehrheit geschwunden – auch in der SPD. Der Grund: Der Kandidatin Daniela Dahn war vorgeworfen worden, in ihren Büchern stalinistische Auswüchse der Nachkriegs-DDR bagatellisieren zu wollen.
Die SPD hat aus den Querelen des vergangenen Herbst gelernt. „Wir wollen im Vorfeld jede Festlegung vermeiden“, erklärt Ingo Decker, Sprecher der SPD-Fraktion. Bei der Wahl im Landtag am 9. Juni sei keine Fraktionsdisziplin vorgeschrieben, jeder dürfe nach seinen Vorstellungen entscheiden. Die PDS-Kandidaten sollen vor der Wahl zu einem Gespräch in die Fraktion eingeladen werden. „Wir haben keinen Wunschkandidaten“, so Decker, „unser Wunsch ist nur, daß die PDS endlich von ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch macht.“
Die PDS erwartet von Havemann, daß er „als Nichtjurist und kritischer Intellektueller Streitbares in die Meinungsbildung bringt“. Er solle das Gericht „durch Verbissenheit auflockern.“ Daß Havemann sich bei jeder Gelegenheit von der PDS distanziert, störe ihn nicht weiter: „Wir suchen nicht jemand, der etwas tut, um uns zu gefallen“, argumentiert Vietze, „sondern jemand, der Diskussionsprozesse in Gang bringen kann.“ Havemann sagt, daß es für ihn nicht leicht gewesen sei, sich mit den Leuten von der PDS zusammenzusetzen, aber „beide Seiten mußten über ihren Schatten springen“. Als könnten damit die Widersprüche aufgehoben werden, betont Havemann immer wieder die „Verpflichtung“, die er fühle. Die Verpflichtung, sich für den Erhalt der „zivilisatorischen Standards wie Menschenrechte, Sozialstaat und Gewaltenteilung“ einzusetzen. Er sei eben altmodisch, ein Mann der Zivilgesellschaft und nehme dafür auch Nachteile in Kauf: „Zum Beispiel mit einer Partei assoziiert zu werden, die mir nicht behagt. Ich stimme deren Zielen nicht zu, gehöre nicht zu den Sympathisanten, und ob sie in der nächsten Wahl Erfolg haben, ist mir völlig egal.“
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