: Unbekannte Größe
■ Add N To (X) macht Unversuchtes hörbar
Elektronik und wie weiter, fragt man sich hin und wieder. Die beste Antwort, die die Szene auf das Dilemma zwischen Gebrauchsmusik und Pop momentan noch zu geben hat, ist die Ignorierung dieser Frage. So gerieren sich Add N To (X) doch tatsächlich noch so, als könnte man das alles wollen und die Revolution noch dazu und würde sich damit nicht lächerlich machen.
Dabei sieht es spätestens dann ein wenig obskur aus, wenn die drei in durchsichtigem Plastik posieren oder auf dem Plattencover einen blutverschmierten Synthesizer auf die Welt bringen.
Doch jenseits des teilweise fast schon karikierenden Punkgehabes lösen Add N To (X) immerhin das Versprechen ein, das sie gaben, als sie sich ihren Bandnamen wählten. Der ist ein Programmierbefehl, mit dem der Computer eine unbekannte dritte Größe generiert. Und tatsächlich scheinen die Londoner etwas Neues zu schaffen. Oder zumindest erfolgreich so zu tun, denn bisweilen klingen die Sounds und Rhythmen auf ihrem neuen Album „Avant Hard“ unerhört.
Das liegt zum einen daran, daß sie vorzugsweise mit der ersten Generation analoger Gerätschaften und außerdem mit einem richtigen Schlagzeug arbeiten. Zum anderen, weil sie bislang unversuchte Kombinationen bereits vorhandener Versatzstücke ebenso schrankenlos wie selbstverständlich betreiben. Sie verbinden kreischende Rückkopplungen mit engelsgleichem Geträller, lassen komplexe Drum-&-Bass-Beats auf stumpf knüppelnden Techno prasseln, bringen unverschämt fröhliche Popmelodien auf stahlkalten elektronischen Flächen längst vergessener U-Musik-Komponisten zum Tanzen, kombinieren Mittelaltergesänge mit Marschtrommelwirbeln und elegischen Keyboardschwaden wie vom Alan Parsons Project (Deren Rehabilitation, fällt mir gerade auf, fehlt noch. Kommt sicher bald).
Auch die Koalitionen, die Add N To (X) eingehen, sind öfters genreübergreifend. Mal trommelt der Schlagzeuger der eher einschläfernden High Llamas bei ihnen, und bereits zweimal tourten sie mit der Jon Spencer Blues Explosion. In Interviews droppt Barry Smith, der Kopf des Trios, gleichberechtigt neben Pink Floyd Namen wie den des inzwischen wiederentdeckten Film-Komponisten Peter Thomas.
Das Ergebnis ist stets vielschichtig, aber dennoch meist wie aus einem Guß, und vor allem nicht ohne Humor – auch wenn sie diesen bei ihren Auftritten oft vermissen lassen. Thomas Winkler
Add N To (X): 13. 5., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
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