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Bremen schiebt Mutter ohne Tochter ab

■ Ghanaerin soll heute ohne achtjährige Tochter abgeschoben werden / Mutter will Kontakt zum Kind verloren haben / Gericht sieht keinen Verstoß gegen UN-Kinderschutzkonvention

Das Bremer Ausländeramt hat eine neue Stufe seiner Abschiebepraxis gezündet. Heute vormittag um zehn Uhr sollSarah Q., ghanaische Mutter eines achtjährigen Mädchens, via Amsterdam abgeschoben werden – ohne ihre Tochter. Während die Mutter, die seit Jahren illegal in Deutschland lebt, angibt, seit ihrer Verhaftung im Februar den Kontakt zum Kind und dessen Betreuungspersonen verloren zu haben, halten Behördenvertreter dies für einen Trick, um die Abschiebung zu verhindern.

„Wir gehen davon aus, daß das Kind längst wieder in Ghana ist“, sagte der Leiter der Bremer Ausländerbehörde, Dieter Trappmann, gegenüber der taz. Sämtliche Versuche, das Kind in Deutschland aufzuspüren, seien ergebnislos geblieben. Auch das im Eilverfahren angerufene Bremer Verwaltungsgericht hält die Abschiebung der Mutter ohne Kind für zulässig. Dieser Fall dürfte in Deutschland bislang einmalig sein. Das ergab eine Anfrage der taz bei der Bundesinnenbehörde sowie bei den Innenbehörden der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Berlin.

Vor Gericht hatte der Anwalt der Ghanaerin, Hans Meyer-Mews, den Artikel sechs des Grundgesetzes zum Schutz der Familie geltend gemacht. Auch würde durch eine Abschiebung und die folgende Trennung von Mutter und Kind auf unabsehbare Zeit die UN-Kinderschutzkonvention verletzt. Die auch von Deutschland unterzeichnete Erklärung fordert in Artikel drei, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, sowie in Artikel neun, Kinder und Eltern nicht gegen deren Willen zu trennen. Die Richter folgten diesen Einwendungen nicht. In der UN-Konvention sei eine vom Staat herbeigeführte Trennung von Kind und Eltern gemeint. Sarah Q. jedoch habe ihr Kind offenbar selbst in fremde Obhut gegeben.

Der Anwalt der 31jährigen Afrikanerin ist über diese Sicht empört: „Die Trennung von Mutter und Kind wurde durch die Verhaftung meiner Mandantin herbeigeführt. Das ist ein staatlicher Eingriff.“ Möglicherweise würden die mit der Aufsicht des Kindes betrauten Personen annehmen, das Kind verstecken zu müssen, nachdem die Mutter nicht mehr wiederkam. „Die Richter können doch nicht jeden exotischen Blödsinn des Ausländeramtes mitmachen“, so Meyer-Mews. Ein realistischer Weg, das Kind zu finden, wäre eine gemeinsame Suche von der Mutter in Begleitung von Polizeibeamten gewesen. „Als Ausführung, wie man sie im Strafvollzug praktiziert.“ Dies habe jedoch nicht stattgefunden. Tatsächlich haben Polizisten verschiedene Angaben der Mutter über den Aufenthaltsort des Kindes – unter anderem in Halle und Hamburg – geprüft. „Alles vergeblich“, so die Ausländerbehörde.

Ghislaine Valter von der Asylgruppe Ostertor ist über den Ausgang der Bemühungen und die drohende Abschiebung entsetzt. Erneut werde der Grundsatz „im Zweifel für die Angeklagte“ mißachtet. Valter, die die Ghanaerin mehrfach in Abschiebehaft besuchte, ist sicher, daß das Kind noch in Deutschland ist. „Aber Polizeibeamte sind einfach nicht die richtigen, so ein Kind zu suchen. Man muß sich vorstellen, daß das Kind bei Illegalen lebt, die selbst auffliegen, sobald sie das Kind herausgeben.“ Neutrale Mittelspersonen hätten sicher mehr erreicht, als Beamte in Uniform, glaubt sie. Sie werde jetzt alles daran setzen, Mutter und Kind zusammenzubringen. „Sarah Q. will ausreisen. Aber nur mit ihrer Tochter.“ ede

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