So ist das Leben

■ Ganz schön, aber nicht schön schwierig: Die neue Farbbeilage der „Zeit“ ist da

Ja, wie ist es eigentlich, das Leben? „Schön und auch schön schwierig ist das Leben.“ Das meint Roger de Weck, den es als Zeit-Chefredakteur vielleicht nicht jeden Tag in seiner vollen Härte ankommt. Nun hat er eine neue bunte Beilage und bekundet darüber Lampenfieber, und im Fieber sagen sich manche Dinge so leicht übers Leben, auch dies: Es sei, „wie der Name besagt, farbig“. Früher war es doch so: Mächtig sackte am Donnerstag die Zeit durch den Briefkasten und im Wissen, daß die Dinge der Welt so schwer wiegen wie diese Zeitung, legte man sie sich vor. Aber ach! Wenn einmal etwas Sonne war; wenn ein Erdbeerkuchen lockte, oder ein beschauliches Wochenende vor der Tür stand; wenn also das Leben trotz all der in der Zeit mit der durchaus gebotenen Ernsthaftigkeit verhandelten Sachverhalte schön schien und nicht schwierig, obgleich das dem die Zeit auf dem Arm tragenden Menschen irgendwie unzulässig vorkommen mußte; dann also zog man sich pflichtvergessener Miene das Zeitmagazin aus der Zeit und verschob ihre Lektüre auf eine trübere Stunde.

Die Zeiten, die Zeit, sie haben sich längst verändert: Das Zeitmagazin wurde erst brigittig, dann belanglos, und die Zeit hat per Designwechsel kundgetan, daß sie unter ihrer uns liebsten Eigenschaft, der Bleischwere, nun so leidet, wie sie an der Schwere der Welt einst litt. Am liebsten würde Roger de Wecks Zeit fluffig durch den Briefkasten kommen, der fälligen und auch in unserem Hausflur bestimmt in der Luft seienden „Modernisierung“ sich in den Arm werfen, auch wenn sie noch nicht genau weiß, was das ist. Seit die Zeit sich Raum für weiße Flecken gönnt, statt für Bleilettern, lesen wir öfter in ihr, merken, daß auch nicht viel anderes drinsteht als früher und daß es auch nicht so wichtig ist, wie wir immer dachten. Das Zeitmagazin braucht jedenfalls niemand mehr, seine Einstellung war nur konsequent.

Nun gibt es aber das „Leben“. Wir haben gelernt, daß ein gutes Magazin, egal auf welchem Papier und in welchen Farben es daherkommt, von der produktiven Opposition zum Hauptblatt lebt. Daß man Leichtigkeit versprechen und dabei Tiefe entwickeln kann hat, auch ohne Tiefdruck, hat Andreas Lebert zudem einst beim SZ-Magazin gezeigt – der Mann, der nun für die Zeit das „Leben“ entwikkelte. Aber was ist der Gegensatz zur neuen Zeit, die selbst so sehnsüchtig nach Leichtem sucht und das gern mit Flachem verwechselt? Allenfalls wegen seiner bunten Farben mag man sich das neue Magazin aus der Zeit schälen, und weil man die beiden Teile einfach voneinander trennen muß, so wenig scheinen sie auf den ersten Blick zueinander zu passen.

Nun haben wir soviel räsoniert über das Leben und die Wechselhaftigkeit der Zeit und Magazine an sich, und dann erst haben wir das „Leben“ gelesen. Und was sollen wir sagen: Es ist der Rede nicht wert. Wie die im letzten Jahr eingeführte neue Verpackung der Zeit über ihren (alten) Inhalt trügt, so tut es auch die der neuen Beilage, die im großen und ganzen die Inhalte aus Zeitmagazin und „Modernem Leben“ vereint. Alles ist ganz ordentliche Arbeit, hier gibt es eine hübsche neue Rubrik („Mitarbeiter der Woche“), dort ist eine gute Idee leidlich gut umgesetzt (Reportage über das Belgrader Hotel Hyatt), dort eher schlecht (die Reportageserie über ein Haus in Berlin). Tiefe aber entsteht so nicht – hätte all dies in der Woche gestanden, es wäre uns nicht weiter aufgefallen. Wenigstens gibt es ein Poster. Das bietet sich beim Format der Zeit doch schon lange an. Lutz Meier