Pentagon: Sorry, wo gekämpft wird, ist's gefährlich

■  Die Luftkriegsstrategen der Nato in der Klemme: Nach dem Bombenangriff auf Korisa ist immer weniger klar, wie serbische Truppen im Kosovo bekämpft werden sollen, ohne Zivilisten zu gefährden

Berlin (taz) – Verkohlte Leichen, darunter die zweier Kinder, etwa 15 ausgebrannte Traktoren, rauchende, von Fliegen umschwärmte Trümmer – das Bild, das sich einer BBC-Reporterin in dem Kosovo-Dorf Korisa nach dem Nato-Bombenangriff vom Freitag bot, war grauenvoll. Am Tag danach waren die meisten Leichenteile schon entfernt worden, auf den Anhängern der Traktoren sah die britische Journalistin Jacky Rowland Reste von Decken, Teppichen und Kleidungsstücke verstreut.

87 Menschen starben nach jugoslawischen Angaben in Korisa. Überlebende berichteten, die Bomben seien gegen Mitternacht auf den Ort fünf Kilometer nördlich von Prizren gefallen, in dem etwa 500 Flüchtlinge Zuflucht für die Nacht gesucht hatten.

In Washington bestätigte James Rubin, der Sprecher des State Department, am Samstag, daß drei F-16-Bomber der US-Luftwaffe Bomben auf das Dorf abgeworfen hätten. Sein Kollege Ken Bacon, Sprecher des Pentagon, wischte das Erschrecken über den bislang folgenschwersten Nato-Angriff auf Zivilisten beiseite: Das Gebiet sei ein Militärlager gewesen. In Brüssel erläuterten Nato-Sprecher, das Camp habe etwa 1.000 Meter neben dem Dorf gelegen. Die Nato habe nicht gewußt, daß sich Flüchtlinge in der Gegend aufhielten.

Nach den Informationen der Nato, die in erster Linie von Aufklärungsflugzeugen sowie von Informanten der UÇK stammen, gab es keine Albaner mehr in der Region um Korisa. Der Pilot habe in seinem Zielradar lediglich Militärgerät, die Silhouetten gepanzerter Fahrzeuge und Erdwälle erkennen können.

Pentagon-Sprecher Bacon bedauerte, daß es zivile Opfer gegeben habe: „Die Entschlossenheit der Nato ist durch diesen Unfall in Korisa in keiner Weise erschüttert. Die Luftangriffe werden fortgesetzt, mit zunehmender Intensität insbesondere gegen serbische Bodentruppen und Polizeieinheiten im Kosovo.“

Bacon äußerte die Vermutung, die getöteten Kosovaren seien von serbischen Truppen mit der Absicht, „ein Public-Relations-Event für Slobodan Miloevic“ zu kreieren, ins Unglück geführt worden: „Sie kamen von den Hügeln herunter und wurden zu diesem Haus gebracht, von dem die Serben wissen mußten, daß es ein Ziel ist, denn wir haben in den vergangenen Tagen viele derartige Gebäude und Installationen angegriffen.“

Ein albanischerAugenzeuge des Angriffs auf Korisa bestätigte die serbische Taktik in einem Interview mit der „Deutschen Welle“: Serbische Paramilitärs hätten eine Gruppe von etwa 600 Flüchtlingen auf einem Baugrundstück in Korisa festgehalten. „Man sagte uns, sollten wir diesen Platz verlassen, würde uns Schlimmes erwarten. Wir wurden gezwungen, bis in die späte Nacht dort zu bleiben“, berichtete er. „Sie haben in der Tat gewußt, was geschehen würde. Wie es geschehen ist, weiß ich nicht. Meine Schwester sagte, daß sie das Flugzeug gesehen hat und wie es sich dem Ziel näherte und geschossen hat. Danach waren unheimlich laute Detonationen zu hören.“

Kampfhandlungen seien zwangsläufig gefährlich, und Unfälle könnten nicht vermieden werden, fügte der Pentagon-Sprecher hinzu. Doch solche „Unfälle“ sind gegenwärtig der wichtigste Faktor, der die Unterstützung für die Nato-Luftschläge in Europa schwinden läßt. Dies sahen am Wochenende vor allem mehrere politische Vertreter der Kosovo-Albaner mit Sorge. Trotz der zivilen Opfer dürfe es keinen diplomatischen Kompromiß mit Miloevic geben, sagte der kosovo-albanische Exilministerpräsident Bujar Bukoshi. Die Nato habe den Fehler begangen, nicht vom ersten Tag an „robust und total“ angegriffen zu haben.

Noch ist der politische Schaden, den die versehentliche Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad anrichtete, nicht in seinem vollen Ausmaß zu ermessen, da plant die Nato mit dem Einsatz von Apache-Hubschraubern bereits die nächste Eskalation. Am Freitag wurde in Albanien bei Übungen mit diesen Helikoptern und Artilleriegeschützen erstmals scharfe Munition eingesetzt. Die Helikopter sollen gegen serbische Panzer und Truppenkonzentrationen im Kosovo eingesetzt werden.

Falls die These der Nato stimmt, daß die jugoslawischen Truppen sich mit ihren Fahrzeugen in Dörfern verbergen und Flüchtlinge zwingen, als „Schutzschild“ in der Umgebung zu bleiben, wären diese Hubschrauber allerdings eine ebenso stumpfe und politisch riskante Waffe wie die sogenannten „intelligenten“ Bomben. Stefan Schaaf