Kommentar: Neues Haßobjekt
■ Bayern gehen, Rheinländer kommen
„Schlaglichter auf eine historische Beziehung“ will die Ausstellung mit dem schlichten Titel „Bayern & Preußen“ werfen, die seit einigen Tagen in der bayerischen Botschaft, pardon: Landesvertretung an der Behrenstraße zu sehen ist.
Eine „historische“ Beziehung? Tatsächlich! Fast unbemerkt hat sich die Sonderrolle Bayerns in den zurückliegenden Jahren nahezu verflüchtigt. Gewiß, schon in den Jahrzehnten der Teilung war Berlin ein wenig aus dem Münchner Blickfeld gerückt, und wenn ein Oberbayer von den „Preußen“ sprach, meinte er eher die Westdeutschen nördlich der Donau. Auch umgekehrt zerriß man sich in Berlin, der größten schwäbischen Stadt hinter Stuttgart, lieber über die zugewanderten Südwestdeutschen das Maul als über die Bayern, die man aus eigenem Augenschein kaum kannte. Schließlich war es in den schicken Achtzigern Hamburg gewesen, das mit München um den ersten Rang im Lande konkurrierte. Das ärmliche Berlin war in diesem Streit ohnehin für beide Parteien indiskutabel gewesen.
Schon immer war die vermeintliche Mißstimmung zwischen Berlin und München mehr Koketterie als Realität. Zwar hatte der Münchner Landtag einst dem Grundgesetz nicht zugestimmt, und selbst in jüngster Zeit prüften die Juristen der Bayerischen Staatskanzlei, ob ein Austritt dem Bundesstaat rechtlich statthaft sei. Doch den letzten, ernsten Schritt hat keine Münchner Regierung je gewagt, seit sich König Ludwig II. 1871 die bayerische Unabhängigkeit hatte abkaufen lassen.
Nach dem Hauptstadtbeschluß des Bundestags waren die Bayern die ersten, die sich eine pompöse Repräsentanz in Berlin ausbauen ließen. Für zentralistische Allüren hatte man schließlich in München, wo die Steuergelder aus Plattling oder Aschaffenburg bedenkenlos verbraten werden, schon immer Verständnis. Und seit klar ist, daß die neuen Bundesländer noch auf Jahrzehnte hinaus eine Sonderrolle ganz eigener Art beanspruchen werden, ist es mit der Besonderheit Bayerns ohnehin nicht mehr weit her.
Und die Berliner selbst haben längst ihr neues Haßobjekt: Die Rheinländer kommen! Ralph Bollmann
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