: Die Götter des Fußballs
Auch Trainer Ferguson glaubt, daß Englands Meister Manchester United dieses Jahr etwas ganz Besonderes ist ■ Von Ronald Reng
Manchester (taz) – Für 17 Spielminuten hatte Manchester United die Meisterschaft nicht mehr in den Händen, aber Trainer Alex Ferguson zum Glück einen Kaugummi im Mund. Auf dem konnte er seine Nervosität abladen. Er biß ihn, er malträtierte ihn; sein Kiefer hob und senkte sich mit unnatürlicher Vehemenz. „Es ist die Tradition dieses Vereins, daß wir uns das Leben selber schwer machen“, sagte Ferguson, nachdem seine Elf mit einem 2:1-Sieg über Tottenham Hotspur am letzten Spieltag der Premier League die englische Meisterschaft gewonnen hatte, und wischte jene 17 Minuten, in denen sie 0:1 zurücklagen, mit einem Lachen weg.
Um ihn herum begann man bereits mit der Verklärung der Ereignisse. „Wir stehen davor, in die Geschichte einzugehen“, verkündete Phil Neville, der linke Verteidiger. Als erster Klub könnte United, der reichsteVerein der Welt, alle drei großen Pötte in einer Saison gewinnen, am kommenden Samstag im Endspiel gegen Newcastle noch den englischen Cup, vier Tage später im Champions-League-Finale gegen Bayern München den Europapokal. „Dieses Team kann das beste aller Zeiten werden“, sagte Uniteds Ehrendirektor Bobby Charlton.
Doch die Zeit zwischen der 25. Minute, als Les Ferdinand Tottenham in Führung brachte, und der 42., als David Beckham den Ausgleich besorgte, erinnerte daran, wie gering Uniteds Überlegenheit eigentlich ist. Andy Coles Tor zum 2:1 sicherte schließlich den einen Punkt Vorsprung vor Titelverteidiger Arsenal, aber wer wagt zu behaupten, mit United sei die bessere Elf Meister geworden? Alex Ferguson natürlich: „Manchester United ist ein Bus, und wir fahren unaufhaltsam weiter zur nächsten Haltestelle. Wer nicht mitkommt, hat selber Schuld.“
Tatsächlich wirkte Arsenal in einem Duell zweier phantastischer Mannschaften taktisch variabler und stärker in der Verteidigung. Was United von Arsenal abhob, war die Ersatzbank. Arsenal hat circa 14 Qualitätsfußballer, United 20. Ferguson schickte einige Spieler sogar für jeweils eine Woche in den Urlaub, mitten in der Saison. Im tristen Dezember kämpfte United um wichtige Punkte, und die Zeitungen zeigten Torwart Peter Schmeichel in Badehose auf Barbados. Arsenal, sagte Ferguson, habe Auswechselspieler, „die habe ich vielleicht zweimal spielen sehen; bei uns schoß ein Ersatzmann wie Ole Gunnar Solksjaer 17 Tore.“
Rotation ist das Modewort dieser Fußballsaison und gilt bei United als selbstverständlich. „Der Trainer hat so eine großartige Rotation eingeführt, daß jeder im Kader zum Zug kommt“, sagt Nationalspieler Phil Neville, der oft auf der Ersatzbank hockt. Fergusons autoritärer Führungsstil und das Gefühl, eine einmalige Saison zu erleben, halten Egoismus im Team klein. Im 13. Jahr arbeitet der 57jährige Schotte bei United, es war seine fünfte Meisterschaft in sieben Jahren; und doch konnte auch er sich am Sonntag abend nicht der Stimmung entziehen, daß diese Meisterelf eine besondere ist. „Meine Götter des Fußballs“, rief Ferguson die Spieler, die mehr als einmal himmlischen Angriffsfußball präsentiert hatten.
Dann wurde es Alex Ferguson zuviel des Jubels. „Die Spieler mögen glauben, der englische Cup am Samstag sei weniger wert, und schon von der Champions League träumen. Ich werde ihnen was erzählen.“ Er hatte gerade gesehen, wie schnell einem der Erfolg aus den Händen gleitet: Der Meisterpokal wurde durchgereicht, Beckham küßte ihn, Schmeichel wiegte ihn wie ein Baby. Dwight Yorke ließ ihn runterfallen.
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