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Die geheime zweite Front im Kongo

Eigentlich unterstützen Uganda und Ruanda gemeinsam die Rebellen im Kongo. Doch unterschwellig bahnt sich zwischen ihnen ein Krieg an  ■   Aus Kampala Dominic Johnson

Je länger der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo andauert, desto mehr rücken die Interessen der ausländischen Kriegsbeteiligten in den Vordergrund. Und je mehr die Rebellen, die gegen die Regierung von Laurent Kabila kämpfen, die Oberhand gewinnen, desto größere Differenzen erscheinen zwischen Uganda und Ruanda, die eigentlich gemeinsam die Rebellen unterstützen. So wäre auch bei einem Zusammenbruch des Kabila-Regimes ein Szenario denkbar, das niemand will: der dauerhafte Zerfall des Landes in ausländische Einflußsphären und eine Fortdauer der auf kongolesischem Gebiet ausgetragenen internationalen Machtkämpfe.

Am Wochenende weigerte sich Ruandas Vizepräsident Paul Kagame bei Verhandlungen in Libyen erneut, einem Abkommen über einen Waffenstillstand für den Kongo beizutreten, wie es einen Monat zuvor Ugandas Präsident Yoweri Museveni mit Kabila unterzeichnet hatte. Anfang Mai wurde aus Kisangani, der größten von Rebellen gehaltenen Stadt im Kongo, von Schießereien zwischen ruandischen und ugandischen Truppen berichtet: Ruandische Soldaten sollen das Feuer auf eine von Ugandern geschützte antiruandische Demonstration eröffnet haben. Treffen zwischen Ugandas und Ruandas Spitzenpolitikern werden seitdem von der rituellen Erklärung begleitet, es gebe keine Spannungen in den bilateralen Beziehungen – die Art von Dementi, die in Wirklichkeit als Bestätigung zu werten ist.

Schon bei Beginn der Rebellion gegen Kabila im August 1998 waren die ugandisch-ruandischen Differenzen offenkundig. Ursprünglich war die Rebellion als Blitzkrieg gedacht. Weil Kabila Ende Juli 1998 die Truppen aus Ruanda, die ihn 1997 an die Macht gebracht hatten, des Landes verwies, organisierte der Ruanda-treue Teil der kongolesischen Armee einen Putschversuch. Als das scheiterte, wählte Ruanda die Option der Meuterei in den wichtigsten Kasernen des Landes mit dem schnellen Sturm auf Kinshasa. Auch dies scheiterte, als Angola Kabila zu Hilfe kam und die rebellierenden Soldaten vor den Toren Kinshasas einkreiste. Nach vier Wochen war die Rebellion auf den Osten Kongos zurückgeworfen.

Der fehlgeschlagene Blitzkrieg trug alle Merkmale der Kriegsstrategie der seit 1994 in Ruanda regierenden „Ruandischen Patriotischen Front“ (RPF) – eine Strategie, die von Uganda und seinem 1986 in einem Guerillakrieg an die Macht gekommenen Präsidenten Yoweri Museveni schon immer als Abenteurertum kritisiert worden ist. Uganda nutzte die Schwächung Kabilas durch Ruanda dennoch zu eigenen Zwecken. Da Kabila nach ugandischer Auffassung ugandische Rebellen aus dem Osten des Kongo heraus operieren ließ und sich mit dem islamistischen Regime des Sudan verbündet hatte, drangen ugandische Truppen im August 1998 tief in den Kongo ein. Nach wenigen Wochen eroberten sie die große Stadt Kisangani. Sie wurde zum Drehpunkt der militärischen Aktivitäten der Rebellion, die sich mittlerweile als „Kongolesische Sammlung für Demokratie“ (RCD) bezeichnete und eine in Goma an der Grenze zu Ruanda ansässige zivile Führung zugelegt hatte.

Geführt wird die Rebellion heute von einem 13köpfigen Generalstab unter Leitung des ugandischen Generalstabschefs James Kazini. Sein ruandisches Gegenstück Kanyumba Nyanvumba ist Nummer Zwei. Erst an dritter Stelle folgt der höchste kongolesische Militärführer Jean-Pierre Ondekane. Insgesamt hat die RCD fünf Vertreter in diesem Generalstab.

Unterhalb dieser Struktur herrscht ein buntes Gegeneinander. Die Rebellenbewegung RCD hat sich gespalten. Sogenannte „Mobutisten“ – Geschäftsleute aus der Mobutu-Diktatur, die im Krieg eine Möglichkeit zur Restauration ihres früheren Einflusses sehen – residieren unter ruandischem Schutz in Goma. RCD-Präsident Ernest Wamba dia Wamba sitzt als Chef einer Fraktion von „Erneuerern“, die Kongo demokratisieren wollen, unter Schutz Ugandas in Kisangani.

Zugleich erschien im Oktober 1998 eine zweite Rebellengruppe, die „Kongolesische Befreiungsbewegung“ (MLC) unter Jean Pierre Bemba, Sohn eines der reichsten Unternehmer des Landes. Die Gründung der MLC war nach ugandischer Darstellung eine rein ugandische Initiative. Generalstabschef Kazini habe die MLC-Truppe ausbilden lassen und sie dann Bemba übergeben – als Gegengewicht zur ruandisch dominierten RCD.

Die Spaltung beziehungsweise Vermehrung der Rebellenorganisationen ist Kehrseite des direkten Streites zwischen Uganda und Ruanda. Ruanda wirft Uganda vor, Holz, Edelsteine und anderen Reichtümer massiv aus dem Kongo herauszuschmuggeln und das Land im Gegenzug mit ugandischen Konsumgütern zu überschwemmen. Uganda entgegnet darauf mit dem Vorwurf, Ruandas Truppen würden massive Gewalt gegen rebellierende kongolesische Bevölkerungsteile anwenden.

Gut informierte Kreise berichten, daß Ruandas Regierung im vergangenen Dezember die Absetzung des ugandischen Generalstabschefs Kazini verlangte. Uganda habe sich geweigert. Seitdem agierten Uganda und Ruanda größtenteils getrennt gegen Kabila. Vereinfacht dargestellt, kämpft Ruanda mit der RCD im Süden des Landes, während Uganda mit der MLC im Norden auf dem Vormarsch ist.

Der ugandisch-ruandische Streit wird auch in kongolesischen Medien ausgetragen. Die Zeitung Les Coulisses in Goma kritisierte den ugandischen Schmuggel und schimpft, die Ugander führten sich im Kongo auf „wie ein pubertierender Junge, der zum ersten Mal eine Frau nackt sieht“. In Kisangani wiederum wirft der MLC-Rundfunksender „Radio Liberte“ den Ruandern „antikongolesisches“ Verhalten vor. Uganda läßt nach eigenen Angaben jetzt Zehntausende neue MLC-Rebellen ausbilden und hofft, damit eine innerkongolesische Dynamik zum Sturz Kabilas ohne ausländische Hilfe in Gang zu setzen.

In Uganda wird immer lauter über einen Abzug aus dem Kongo nachgedacht, während Ruanda dies bisher ablehnt. Ugandische Minister fordern die Stationierung einer internationalen Truppe im Osten des Kongo, möglichst mit europäischer Beteiligung, um die Westgrenze Ugandas vor sudanesischer Infiltration zu schützen.

Das hat mehrere Gründe. Der Krieg im Kongo verleitet Ugandas Armee zur Vernachlässigung des eigenen Landes, wo sich regierungsfeindliche Rebellen seit einigen Monaten stark aufgerüstet haben. Zudem hat Museveni auf Druck der internationalen Geldgeber eine deutliche Verringerung der Militärausgaben im nächsten Haushaltsjahr, das am 12. Juni beginnt, beschlossen. Außerdem treiben die im Kongo kämpfenden ugandischen Generäle mehr Handel, als daß sie Krieg führen, und in der Wahrnehmung ihres Landes werden sie zu Warlords.

Wichtigster von ihnen ist Musevenis eigener Bruder Salim Saleh, ein Veteran von Musevenis Guerillakrieg, der im Militär große Loyalität genießt. Mit „Air Alexander“ – benannt nach seinem achtjährigem Sohn – betreibt Salim Saleh die wichtigste Fluglinie zwischen Uganda und Kongo, wenngleich er sie pro forma inzwischen seiner Frau verkauft hat. Sein Name taucht in mehreren der großen Korruptionsskandale auf, die Uganda derzeit beschäftigen.

Salim Saleh gilt als Intimfeind der Regierung Ruandas. Verläßlichen Quellen zufolge soll er vergangenes Jahr versucht haben, mit Ruandas prominentestem Hutu-Exilpolitiker Seth Sendashonga den Sturz der ruandischen Regierung zu betreiben – Sendashonga wurde kurz darauf in Kenias Hauptstadt Nairobi ermordet. Nach ugandischen Presseberichten wirft Ruandas Regierung jetzt einem Mitarbeiter Salim Salehs vor, Ruanda um drei Millionen Dollar betrogen zu haben. Das Geld sei eine Vorauszahlung für einen ugandisch-ruandischen Kauf weißrussischer Kampfhubschrauber gewesen. Dieser Kauf wurde von Uganda wegen des schlechten Zustandes der Hubschrauber wieder annulliert – nach Eingang der ruandischen Zahlung auf ein Konto einer mittlerweile geschlossenen ugandischen Bank.

Während Uganda an Abzugsszenarien bastelt, setzt Ruanda weiter auf Krieg. Ruandas Interesse im Kongo besteht zwar ebenso wie das ugandische in der Abwehr von Rebellen, die aus dem Kongo heraus operieren. Aber anders als in Uganda sind in Ruanda die Aktivitäten regierungsfeindlicher Milizen seit Beginn des Kongo-Krieges deutlich zurückgegangen. Daher gibt es für Ruanda keinen Grund zum Rückzug.

Außerdem kämpfen nach ruandischer Darstellung weiterhin 5.000 ruandische Hutu-Milizionäre im Kongo auf seiten Kabilas. Diese Bedrohung „muß bewältigt werden, bevor ein sinnvolle Feuerpause unter Einschluß Ruandas erreicht werden kann“, erklärte Ruandas Regierung am Wochenende.

Die Niederschlagung der Hutu-Milizen rechtfertigt in den Augen der Tutsi-dominierten ruandischen Regierung eine dauerhafte Kontrolle gewisser Teile Kongos und damit die Schwächung des kongolesischen Zentralstaates. Uganda hingegen wünscht sich eher eine starke befreundete Regierung im Kongo, die ihr Land selber stabilisiert.

Ein ugandischer Beobachter bringt die ugandisch-ruandischen Meinungsverschiedenheiten auf die böse Formel, Ruandas Tutsi hätten „eine Obsession mit dem eigenen Überleben“. Man kann dies ihnen jedoch nach dem Völkermord von 1994, als 800.000 Tutsi starben, kaum übelnehmen. Auch in der internationalen Diplomatie genießt bisher das ruandische Interesse im Kongo mehr Verständnis als das ugandische. Ob damit dem Frieden im Kongo gedient wird, bleibt eine offene Frage.

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