: BSAG „nicht wettbewerbsfähig“
■ Wirtschaftlichkeits-Gutachten über Straßenbahn-AG kommt zu vernichtetenden Ergebnissen / Wenn die BSAG nach EU-Recht der freien Konkurrenz ausgesetzt wird, hat sie keine Chance
Wenn in Bremen der kommunale Nahverkehr der freien Konkurrenz ausgesetzt wird, wie es die EU rechtsverbindlich vorschreibt, dann wird die städtische Bremer Straßenbahn-AG (BSAG) keine Chance haben. Dies ist die Quintessenz eines Wirtschaftlichkeits-Gutachtens, das der zuständige Bausenator bei der C&L-Deutsche Revision in Auftrag gegeben hat. In dem streng vertraulichen Papier, das der taz vorliegt, werden die einzelnen Betriebsbereiche unter die Lupe genommen – keiner darf ungeschoren davonkommen, sagen die Gutachter, wenn die BSAG wettbewerbsfähig werden soll. Und nach neuem EU-Recht müssen die Kommunen ihre Bus- oder Bahnlinien ausschreiben und an den günstigsten Anbieter vergeben; die BSAG wird also auf die Dauer nur überleben, wenn sie nicht teurer ist als die private Konkurrenz. Der „Kostendeckungsgrad“ der BSAG beträgt derzeit rund 50 Prozent. Konkret: Einnahmen von 117 Millionen Mark im Jahr stehen Ausgaben von 359 Millionen gegenüber.
Der größte Brocken in der Bilanz der BSAG sind die Personalkosten, die die Hälfte der Ausgaben ausmachen. Nach einem Vergleich der Wirtschaftsprüfer „kostet“ ein Fahrbediensteter das Unternehmen 76.696 Mark im Jahr, bei den privaten niedersächsischen Verkehrsbetrieben sind das nur 46.861 Mark, also knapp 30.000 Mark weniger. Die Schlußfolgerung der Gutachter: Wenn die Besitzstände der „Altbelegschaft“ nicht angetastet werden dürfen, müssen sie auslaufen – der letzte dieser Verträge endet im Jahre 2027. Jede Neueinstellung sollte in einem privaten Tochterunternehmen der BSAG nach deutlich niedrigeren Tarifen stattfinden. Ob die BSAG dafür aber staatliche Subventionen in Brüssel genehmigt bekommt, so die Gutachter, müsse dringend geprüft werden.
Zu sparen wäre auch, wenn die BSAG einzelne Linien an preiswertere private Unternehmen abgeben würde; nach dem bis zum Jahre 2004 geltenden BSAG-Tarifvertrag darf dies aber nur bis zu 3,7 Prozent der Linien betreffen. Selbst diese Quote wird nicht ausgenutzt.
Aber nicht nur die Löhne sind im Wettbewerbs-Vergleich zu hoch, finden die Gutachter: „Die BSAG schneidet bei wichtigen Kennziffern zur Produktivität und Wirtschaftlichkeit schlecht ab.“ Der Fahrbetrieb ist vergleichsweise überbesetzt, 66 Fahrer-Stellen könnten gespart werden. Im Vertrieb sind zuviele beschäftigt. In den Werkstätten könnten 7,65 Millionen Mark pro Jahr gespart werden. Der Personaleinsatz für Marketing und Angebotsplanung ist „überdurchschnittlich“. Planungsprozesse könnten gestrafft und optimiert werden, Einsatzleitung und Besetzung der Fahrgastinformation könnten verringert werden.
Die Gutachter gehen davon aus, daß es existenzbedrohend für die BSAG wäre, wenn sie nichts tun würde. Die Umwandlung eines Unternehmens, das praktisch wie der öffentliche Dienst arbeitet, in ein Privatunternehmen sollte schlicht alles infrage stellen: „Sowohl die Rechtsform und Struktur des Unternehmens als auch seine Organisation“ müßten „zur Disposition stehen“, die einzelnen Unternehmensbereiche müßten wirtschaftlich transparent voneinander abgrenzbar sein. Und das betrifft dann schließlich auch die „gelebte Unternehmenskultur“, schreiben die Gutachter. Denn „als Startposition für einen künftig durch den Wettbewerb geprägten Nahverkehrsmarkt ist die derzeitige Ergebnislage der BSAG völlig unzureichend.“ K.W.
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