piwik no script img

Weddinger Kinderfarm vor dem Aus

Nach jahrelangem Rechtsstreit mit dem Bezirk muß der Verein Konkurs anmelden. „Die Mittel reichen für sinnvolle Pädagogik nicht“, meint der Projektleiter. Auch die anderen Kinderbauernhöfe der Stadt quälen Finanznöte  ■   Von Sabine am Orde

Im Wedding könnten bald sieben Ponys und acht Schafe, dazu Schweine und Ziegen, Kaninchen, Meerschweinchen und einiges Federvieh heimatlos werden und 40 Kinder ihren täglichen Spielplatz verlieren. Denn höchstwahrscheinlich muß die Weddinger Kinderfarm in der Luxemburger Straße, einer von insgesamt sieben Kinderbauernhöfen der Stadt, noch in dieser Woche Konkurs anmelden. „Das Bezirksamt ist nicht bereit, uns ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen“, sagt Siegfried Kühbauer, der Leiter der Kinderfarm.

Die Einrichtung, in der seit 16 Jahren rund 40 „Stammkinder“ und täglich wechselnde Gruppen Tiere betreuen, pflegen und mit ihnen spielen, bekommt seit Jahren immer weniger Geld vom Bezirk. In den letzten drei Jahren sind von der ursprünglichen Förderung von 227.000 Mark nur noch 154.000 Mark übriggeblieben.

„Damit kann man keine pädagogisch sinnvolle Arbeit machen“, befand der Trägerverein und zog bereits 1996 vor Gericht. Das Problem dabei: Der Verein, der aufgrund von Einschätzungen seines Rechtsanwalts und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands von dem Erfolg der Klage ausging, sparte nicht ausreichend und verschuldete sich in den drei Jahren, die der Prozeß andauerte. Doch damit nicht genug: Die MitarbeiterInnen arbeiten bereits seit einem halben Jahr ohne Gehalt. Doch das Gericht lehnte die Klage ab und empfahl den Streitenden, sich zu einigen – aber weder Verein noch Bezirk gaben nach. „Ich mußte extreme Kürzungen umsetzen“, begründet Jugendstadtrat Rainer Sauter (Bündnis 90/Grüne) seine Position und macht aus seiner Verärgerung keinen Hehl: „Im Gegensatz zu anderen Trägern war die Kinderfarm nicht bereit, darauf flexibel zu reagieren und nach Alternativen zu suchen.“ Seiner Ansicht nach liegt die Schuld an der aussichtslosen Lage allein bei dem Verein. „Der Träger hat sich verschuldet, weil er meinte, den Rechtsstreit zu gewinnen.“ Nun müsse er die Konsequenzen tragen und Konkurs anmelden. Mit einem neuen Träger für das Gelände gebe es bereits Verhandlungen.

Das wollen nicht nur die MitarbeiterInnen, die Kids und Eltern verhindern. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) protestiert gegen die Schließung. Sie befürchtet eine weitere Verschlechterung für die Kinder in dem sozial schwachen Bezirk. „Die Kinder im Wedding haben nicht viel, wo sie hingehen können,“ sagt die GEW-Mitarbeiterin Bärbel Jung.

Mit Blick auf das Quartiersmanagement, das in dem Kiez gerade die Arbeit aufgenommen hat, fügt sie hinzu: „Wie will man denn Leute dazu bringen, sich zu engagieren, wenn Bestehendes kaputtgemacht wird?“ Die Weddinger Kinderfarm ist nicht die einzige, die in Finanznöten steckt. „Fast alle Einrichtungen sind unterfinanziert und viele bedroht“, sagt Julia Witt vom Dachverband der Kinderbauernhöfe und Abenteuerspielplätze. „Mit den Mitteln, die wir bekommen, können wir mit Mühe und Not die Personalkosten decken“, meint auch Annett Rose vom Pankower Kinderbauerhof „Pinke Panke“. Das gehe aber auch nur, weil die MitarbeiterInnen auf zehn Prozent ihres Osttarifs verzichten. Trotzdem öffnen sie – wie alle Kinderbauernhöfe – sechs Tage in der Woche. Nur an Wochenenden und Feiertagen ist geschlossen. Für alles andere, „von der Tierversorgung bis zum Bastelmaterial“, ist man auf Spenden angewiesen.

Auch der „Aktivspielplatz“ in Hellersdorf klagt über „massive Kürzungen“: „In diesem Jahr bekommen wir vom Bezirk 65.000 Mark weniger“, sagt die Projektmanagerin Mona Griesel. „Das heißt, eine Stelle weniger.“ Allein die Einrichtung auf dem Mauerstreifen in Prenzlauer Berg scheint sich nicht kurz vor dem finanziellen Aus zu befinden. „Im Moment geht es uns ganz gut“, sagt die Mitarbeiterin Birgit Blank. Doch dieser Kinderbauernhof wird auch erst in der kommenden Woche eröffnet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen