: Hoffnungslosigkeit macht Teens krank
■ Studie „Young is beautiful?“ von Uni Bremen / Forscher beklagen Unwissenheit in Politik
Etwa jeder fünfte Teenager leidet an Rückenschmerzen, jeder dritte ist häufig erschöpft, Klagen über Kopfschmerzen, Allergien und Schwindelgefühle sind keine Seltenheit. Das sind die Ergebnisse einer Studie der Bremer Universität. Unter dem Motto „Young is beautiful?“ hatten Jugendforscher des Zentrums für Sozialpolitik im Oktober 1998 bundesweit 10.000 Jugendliche zu ihrem Wohlbefinden, zu Ängsten und Krankheiten befragt.
Die Wissenschaftler zogen gestern folgendes Fazit: Zukunftsängste unter den Jugendlichen führten offenbar massiv zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, so Professor Rainer Müller und Gert Marstedt. Statt ökologischer Horrorvisionen ängstigen sich die Teens nämlich heute vor beruflichem Versagen, stellten sie in ihrer Befragung fest. Immerhin suchen derzeit bundesweit 331.000 Jugendliche eine Lehrstelle und nur noch 60.000 sind zu haben. Wer auf dem zwölfseitigen Fragebogen ankreuzte, sich um Lehrstellenmangel und fehlende Berufsperspektiven Sorgen zu machen, klagte zugleich auch über Nervosität, Rücken- oder Kopfschmerzen und Allergieerkrankungen. „Daß eine düstere Zukunft in dem Maße bis hin zu Rückenschmerzen durchschlägt, hätte ich nicht gedacht“, sagt dazu der Bremer Wissenschaflter Gert Marstedt.
Denn Politiker und Ärzte wüßten bislang kaum von diesen Zusammenhängen, berichteten die Jugendforscher. Allen bisherigen Untersuchungen liege entweder ein medizinischer oder ein politischer Blick zugrunde. „Es muß ein anderes Verständnis für Gesundheitsförderung geben und keine Medikalisierung“, forderte Rainer Müller. Deshalb zimmerten Gert Marstedt und er an einem soliden Datenfundament. “Wir wollten etwas machen, das über blöde medizinische und politische Studien hinausgeht“, erklärten beide ihre Motivation für diese neue umfassende Jugendstudie. Dabei stellten sie außerdem fest, daß der Aspekt Bildung noch immer zentral sei. Abiturienten seien optimistischer und gesünder: Je geringer der Schulabschluß, um so größer die Ängste. Entsprechend unwohl fühlten sich die Teens, die Mädchen würden noch ausgeprägter klagen als die Jungen. Sind sie aber nun kränker oder einfach gesundheitsbewußter als die jungen Männer? „Auf jeden Fall haben Mädchen ein ganzheitlicheres Gesundheitsverständnis“, erklärt sich Marstedt dieses Phänomen. Jungen seien eher technisch orientiert.
Ergebnisse, die die Wissenschaftler jetzt verstärkt in die Öffentlichkeit bringen wollen – um künftig auch die offenbar schwerwiegenden Zukunftsängste der Jugendlichen gesundheitspolitisch in die Diskussion zu bringen.
Liane Aiwanger
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