Kommentar
: Lahme Ente

■ Der Polizeipräsident schadet seinem Apparat

Hagen Saberschinsky ist ein Polizeipräsident auf Abruf. Obwohl der fast 60jährige seinen Posten weitere fünf Jahre bekleiden möchte, will ihm die große Koalition nur noch ein zusätzliches Amtsjahr zubilligen. Eigentlich wäre für ihn wegen der Altersgrenze schon im kommenden Oktober Schluß.

Angesichts dieser begrenzten Perspektive kann Saberschinsky keine großen Projekte mehr in Angriff nehmen. Seine Durchsetzungsfähigkeit sinkt nun zusätzlich, weil in der Affäre um die Toten an der israelischen Botschaft weitere unangenehme Details zutage kommen.

Dabei bräuchte die Polizei gerade jetzt eine handlungsfähige Führung. Die Probleme türmen sich immer höher – soeben ist wieder die Spitze eines Eisbergs aufgetaucht. Gernot Pistert, zweithöchster Polizist des Landes, hat öffentlich den jämmerlichen Zustand seines Apparates beklagt. Seine Diagnose: Die BeamtInnen würden falsch ausgebildet und litten an mangelnder Kommunikationsfähigkeit. Viele unerfahrene AnfängerInnen würden von ihren Vorgesetzten verheizt.

Auch in den geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei geht es teilweise drunter und drüber. Die KollegInnen können das Wort „Deeskalation“ nicht buchstabieren und schwingen die Knüppel selbst dann, wenn der Innensenator mal seine sanfte Seite zeigen will – zuletzt am 1. Mai.

Auch die Polizei Nordrhein-Westfalens weiß inzwischen, daß bei den Berliner Hundertschaften häufig mit schlechtem Betragen zu rechnen ist. Der Polizeipräsident von Bonn legte seinem hiesigen Kollegen unlängst nahe, ein Hauptstadtkonzept für den Regierungsumzug zu entwickeln, das auf Verantwortung und Augenmaß setzt.

Das alles wird Hagen Saberschinsky nicht mehr anpacken, selbst wenn er es wollte. Dafür müßten ihm seine Untergebenen großen Respekt entgegenbringen, er müßte harte Konflikte bestehen können. Derart beschädigt, wie im Augenblick, kann von alledem jedoch keine Rede sein. Saberschinsky muß zusehen, seine letzte Zeit halbwegs korrekt über die Bühne zu bringen und nach der Devise verfahren: „Es gibt viel zu tun, lassen wir's liegen.“ Hannes Koch