: Beamtenschelte am Geburtstag des Grundgesetzes
■ Aber die 3sat-Doku über unsere „heimlichen Herrscher“ lästert nicht nur (Sa, 19.20 Uhr)
Das grenzt ja an Landesverrat. Am Vorabend des 50. Geburtstages des Grundgesetzes müssen sich die Beamten vor's Schienbein treten lassen. Die Beamten, das Rückgrat des deutschen Wohlfahrtsstaates oder besser: die „heimlichen Herrscher“ der Republik. Unter diesem Titel hat die TV-Version der sonst so behäbigen Zeit Lehrreiches über die Staatsdiener und ihre Privilegien zusammengestellt. Endlich! Beamtenkritik, die beträchtlich über das Niveau von „Beamte sind faul“ hinausgeht, fernsehgerecht aufbereitet für Otto Normalverbraucher.
Das Gute an dem Film von John A . Kantara ist, daß er nicht nur lästert und kritisiert, sondern eine Alternative zu dem aufzeigt, was in Behörden auch heute noch eiserne Gültigkeit hat: Überkommenes Berufsbeamtentum und Verwaltung à la Preußen. „Die Totengräber der Stadt Detmold sind die Speerspitze der Reformbemühungen“ der deutschen Verwaltung, sagt die Stimme aus dem Off. Wie das? Ja, in Detmold kann man seine Verstorbenen auch samstags unter die Erde bringen. Ehe aus Ämtern Dienstleistungszentren wurden, ging das nur bis Freitag mittag, und: Der Termin war unumstößlich! Nur in Detmold findet sich wohl auch ein vergnügter Totengräber. Warum? Weil er für „sein Team“ so einkaufen darf wie für sich selbst: gut und günstig.
Wer meint, das seien Kinkerlitzchen, sollte Ronald Otto zusehen. Den Bonner Beamten befragt Kanatara fast nur per Kamera. Der genervte Otto beim Packen in Bonn. Der nervöse Otto bei seiner Ankunft in Berlin. Und Otto, dem der Bundestag wie allen nach Berlin wechselnden Bundesbeamten das Umzugsticket mit 148.000 Mark Sonderzulagen vergoldet hat, wie er maliziös erklärt, es müsse nun eben auch hier gehen, in Berlin.
An der Spree wird Otto Dienst nach Vorschrift schieben, das ist klar. Aber warum nur muß dieser abgetörnte Verwalter überhaupt hierherkommen? Weil er, das hypertrophe Beamtenrecht will es so, einen Wust an Privilegien aufgehäuft hat, die es unmöglich machen, ihn abzufinden und in Siegburg sitzen zu lassen. Noch mit der Fernbedienung möchte man Hans-Hermann Weiß, den Chef der Detmolder Totengräber, auf Ottos Planstelle beamen. „Wir haben uns früher gegenseitig beschäftigt, ohne etwas für den Bürger zu tun“, so der Ex-Beamte Weiß. „Jetzt fühle ich mich als Manager.“
Kantaras Film hat auch Schwächen. Er unterschätzt etwa, wie sehr vielerorts mit Vorschriften, strenger Hierarchie und Unkündbarkeit bereits aufgeräumt wird: In Nordrhein-Westfalen und Berlin, in Heidelberg, Offenbach und Hagen sind viele Behörden nicht mehr das, was sie früher waren. Dennoch, am Abend vor dem 50. des Grundgesetzes sollte man nicht versäumen zu sehen, welcher Artikel daraus sofort zu tilgen ist: die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Christian Füller
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