: Nicht Null –betr. „Nervenarzt als Flugbegleiter“ und Kommentar „Watschen für Wrocklage“, taz hamburg vom 20. Mai 1999
Liebe Judith Weber, Du gehst in Deinem Kommentar davon aus, daß die Ausländerpolitik der rot-grünen Regierung gegen Null tendiert. Dem möchte ich gerne widersprechen:
Gerade das interne Papier der Innenbehörde beweist, daß seit Beginn der rot-grünen Regierung in der Stadt weniger Menschen abgeschoben werden als früher. Deswegen möchte Innensenator Wrocklage (SPD) erreichen, daß die Abschiebungen in dieser Stadt erleichert und beschleunigt werden. Um diese beschleunigte inhumane Abschiebepraxis zu legitimieren, bemüht das Papier in seinen Eingangssätzen die rot-grüne Koalitionsvereinbarung.
Es ist unumstritten, daß dieser Bereich in der Koalitionsvereinbarung nicht optimal geregelt worden ist. Jedenfalls ist eine der tragenden Säulen der rot-grünen Immigrations- und Flüchtlingspolitik die eines möglichst humanen Umgangs mit den hier lebenden Flüchtlingen und ausreisepflichtigen Immigranten. Deswegen ist das sogenannte Geheimpapier in der vorliegenden Fassung aufgrund des entschiedenen Widerstandes beider Fraktionen inzwischen vom Tisch. (...)
Selbstkritisch muß hier festgehalten werden, daß auf das Anliegen der Innenbehörde im Bereich der Migrationspolitik nicht agiert, sondern auf Vorfälle reagiert worden ist. Deswegen muß eine zukünftige Flüchtlingspolitik der Behörde ständig vorgeben, daß die Spielräume des Ausländergesetzes zugunsten der Betroffenen ausgelegt werden, daß der Umgang der Mitarbeiter der Ausländerbehörde mit den betroffenen durch Fortbildung und entsprechende Qualifikationen sowie räumliche Veränderungen deutlich verbessert wird.
Dabei muß auch die Unterbringung der Flüchtlinge in einer menschenwürdigen Weise erfolgen. Neben diesen Maßnahmen ist aber wichtig, daß die Flüchtlinge nicht als vorübergehende Erscheinung der Gesellschaft aufgenommen werden, sondern die Gesellschaft stärker darauf vorbereitet wird, daß diese Flüchtlinge sich hier nicht vorübergehend aufhalten wollen, sondern daß auch ein längerer Aufenthalt der Flüchtlinge zu erwarten ist.
Mamut Erdem, Abgeordneter und Obmann im Eingabeausschuss der Bürgerschaft für die GAL-Fraktion
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen