: Jobchance: Holzzuschnitt im Baumarkt
■ Auf wirklich neue Ansätze hat das Sofortprogramm verzichtet / Eine Ausnahme: Die Qualifizierungs-ABM für Tischler
„Die wollten mich nicht“, sagt Manfred Walter. Lehrstelle zum Tischler? Bislang Fehlanzeige für den 21jährigen aus Tenever. Trotz Realschulabschluß hatte Manfred keine Schnitte: „Die wollten wohl was Besseres haben“, sagt er – und verdingte sich bislang in diversen Beschäftigungsmaßnahmen. Jetzt ist er im Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit gelandet – und lernt nun in der einzigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die sich ausschließlich „Qualifizierung“ auf die Fahnen geschrieben hat.
Eine „Qualifizierungs-ABM“ für angehende Tischler hat der Beschäftigungsträger „Bremer Arbeitslosen Selbsthilfe“ (BRAS) in Hemelingen gestartet. In einer ehemaligen Matratzenfabrik lernen dort ein Jahr lang 25 Jugendliche im Rahmen des Sofortprogramms. Der Unterschied zu den ebenfalls angebotenen einjährigen Berufsvorbereitungen mit Betriebspraktikum für 270 Programm-Jugendliche: „Qualifizierung statt Auftragsarbeit steht bei uns im Vordergrund“, sagt Ausbilder und Tischler Michael Holst.
Statt im Betrieb stur drei Monate lang Bänke zu zimmern, weil gerade nur dieser Auftrag da ist, lernen die ABMler nach einem Qualifizierungsplan soviele Tischlerarbeiten wie möglich kennen – wie Bautischlerei, Massivholzmöbel-Bau bis hin zum einfachen Zusammen-bauen eines Ikea-Regals. Maschinen- und EDV-Kurse runden die Qualifizierung ab. Am Ende gibt es ein Zertifikat – und die Hoffnung, damit „einmal echte niedrigqualifizierte Arbeit im Holzzuschnitt beim Baumarkt, im Möbelhaus oder im Bautischler-Handwerk“ finden zu können.
Denn viele der Jugendlichen würden „eine richtige Ausbildung im Anschluß gar nicht durchhalten“, weiß Projektleiter Rüdiger Böß aus Erfahrung. Deshalb mußte eine marktgerechtere Qualifizierung für benachteiligte Jugendliche her, die bei potentiellen Chefs ankommt. Zusätzlich änderte die BRAS die „Suche nach Anschlußperspektiven“: Diese Frage steht nun von Anfang an und nicht erst kurz vor Schluß zur Debatte.
Der 21jährige Manfred zum Beispiel hat schon mehrere Beschäftigungsmaßnahmen hinter sich. Jetzt will er endlich schon im Herbst in eine Tischler-Ausbildung wechseln – auch wenn er die ABM in Hemelingen „ganz toll findet, weil ich sonst nur richtig gearbeitet habe. Aber hier lerne ich richtig was.“ Mit der Sozialpädagogin hätte er schon im Berufsinformationszentrum vorbeigeschaut – und insgesamt elf freie Lehrstellen entdeckt. Allerdings neun davon nur schulisch und nicht im Betrieb. „Dabei würde ich so gern in eine Firma“, sagt Manfred.
Doch freie Lehrstellenwahl ist in Bremen nicht unbedingt angesagt: Fast 4.000 Jugendliche unter 25 sind ohne Arbeit. Ein „Skandal“, wie die Jugend von der Deutschen Postgewerkschaft findet. Sie zog darum gestern vom DGB-Haus am Bahnhof durch die City zum Café Sand auf der Werderinsel, um symbolisch baden zu gehen.
Durch das Bonner Sofortprogramm enstanden immerhin 280 zusätzliche schulische Ausbildungsplätze. Daß Unternehmen sich nun zum neuen Ausbildungsjahr zurücklehnen, fürchtet das Bremer Arbeitsamt aber nicht. Das Geld sei gut angelegt: Schließlich hätte Bremen „rund 28.000 Arbeitsplätze verloren“, sagt Arbeitsamts-Direktor Christian Hawel. Dieser Verlust zeige sich auch auf dem Lehrstellenmarkt. Da müsse man die Jugendlichen eben mit anderen Mitteln „von der Straße holen“.
Aber wie das geschehen soll, wurde bislang offenbar nicht konzeptionell ausgearbeitet: Die neue Qualifizierungs-Maßnahme dürfe keine Eintagsfliege sein, fordert zum Beispiel die BRAS. Gerade jetzt könnte man doch neue Ideen erproben. „Wenn unsere Maßnahme erfolgreich ist, wäre sie auch auf andere Jobs anwendbar“, sagt Projektleiter Rüdiger Böß. Das wolle man nun per Erfolgskontrolle genau verfolgen. Schließlich fänden bislang nur geschätzte 20 Prozent aller Maßnahme-Teilnehmer in den Arbeitsmarkt. Für intensive Perspektiven- und Förderpläne für die Jugendlichen hätte man z.B. bislang „gar keine Strukturen“ gehabt. Und auch mit genauen Verbleib-Statistiken der Teilnehmer würden die Bremer Beschäftigungsträger erst jetzt anfangen. kat
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