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Nie wieder Erbsensuppe ■ Von Carola Rönneburg
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist Kriegsminister Rudolf Scharping ein Mann der Extreme. Zwar zog sich auch Volker Rühe körperliche Blessuren im Dienst zu; etwa, als er in Somalia recht unelegant vor seiner Truppe zu Boden ging. Allerdings landete der ins Massige tendierende CDU-Verteidigungsminister nach seinem Stolperer recht weich und mußte nicht eingegipst werden.
Außerdem wird er längst nicht soviel Fahrt wie der radrasende Rudolf draufgehabt haben, was, wenn man es recht bedenkt, das erstaunlichste Element innerhalb Rudolf Scharpings Wandlung vom Ritter von der traurigen Gestalt zum Regierungsamtinhaber darstellt: Kaum war Krieg, wurde ausgerechnet er vorschnell – der Mann, für den einst im Fernsehen doppelte Interviewzeit eingeplant werden mußte, weil ... seine ... Antworten ... doch etwas ... langsam ... daherkamen, ausgerechnet dieser Meister der Monotonie beherrschte nun die Kunst des leidenschaftlichen Vortrags und des entschlossenen Auftretens. Sogar Greuelhellseherei zählte plötzlich zu seinen Fähigkeiten – aber Rudolf Scharping ist ja schon einmal vom Fahrrad gefallen, und wer weiß, was dieser Sturz seinerzeit noch für Talente befördert hat.
Es ist jedenfalls der veränderte Scharping, den jetzt alle liebhaben. „Wie geht es Ihrem Arm, Herr Minister“, sollen sich deutsche Soldaten nach einem Insiderreport des AFP-Schützenfestkorrespondenten Mathias Heine besorgt erkundigt haben, als der lädierte Sozialdemokrat vor wenigen Tagen in Makedonien nach dem Menschenrechten sah. Soviel Freundlichkeit ist Rudolf Scharping lange nicht widerfahren. Entsprechend entspannt reagierte er vor Ort und fragte gleichfalls stets „Wie geht's?“, reichte „den Soldaten seine linke Hand“ und nahm einen „Hauptgefreiten fürs Erinnerungsfoto in den Arm“. Gemurrt wurde laut AFP nur „hinter vorgehaltener Hand“. Ein ungenannter Hauptmann soll „Es wurde Zeit, daß er mal kommt“ gesagt haben. Insgesamt jedoch bewunderten und belohnten die Bundeswehrangehörigen Rudolf „Es ist nur ein Kratzer“ Scharping für seine Haltung, nicht jammernd im Bett liegen bleiben zu wollen, sondern trotz Gipsarms stramm seinen Verpflichtungen nachzugehen: „Scharping kann sich der Unterstützung seiner Truppe sicher sein – und nimmt ein ganz besonderes Souvenir mit nach Hause: einen bemalten Gipsarm voller Unterschriften, mit den besten Genesungswünschen von seinen Soldaten in Tetevo.“
So harmonisch ist also das Kriegsministerleben. Nur einen Fehler kann Scharping noch begehen, der sich jedoch vermeiden läßt, wenn er denn aus der Vergangenheit lernen will: Am somalischen Weihnachtsabend 1993 löffelte Volker Rühe, dem Ernst der Lage angemessen, mit seinen Jungs eine deftig spartanische Erbsensuppe. Die war sicherlich gut – bloß ließ Bill Clinton zeitgleich in den US-amerikanischen Nachbarzelten Truthahn und Champagner auffahren. Um Unruhen zu vermeiden, muß sich Scharping daher etwas einfallen lassen. Vorweg vielleicht einen Krabbencocktail, anschließend Schnitzel mit Pommes. Hinterher: alles, außer natürlich Apfel im Schlafrock.
Und dann dürfte er sich eigentlich auch wieder seinen geliebten Bart stehen lassen.
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