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Aus allen Zeiten herausgefallen

Es gibt Wichtigeres im Leben, als groß, erfolgreich und Popstar zu sein: Ohne in überflüssige Gefühlduseleien auszubrechen und sich selig vergangener Zeiten zu erinnern, spielten Robert Forster und Grant McLennan in Berlin alte Go-Betweens-Lieder  ■   Von Gerrit Bartels

So richtig glauben mochte man es ja schon nicht im Vorfeld ihres Auftritts, daß Robert Forster und Grant McLennan ernsthaft an einer Go-Betweens-Wiedervereinigung interessiert sein würden. Zu still und unspektakulär war die Auflösung der australischen Band Ende der Achtziger vor sich gegangen, zu überzeugt versicherten sie seinerzeit, daß sie ihre Dekade gehabt hätten und die Neunziger nicht ihr Jahrzehnt werden würden.

Ganz unspektakulär und ohne große Erklärungen betreten beide dann auch die kleine Bühne des Roten Salons in der Berliner Volksbühne, nehmen ihre akustischen Gitarren und spielen „The Devil's Eye“, einen Song ihres letzten offiziellen Albums „16 Lovers Lane“: Forster groß, raumgreifend, dandy-like, ein bißchen ironisch, ein bißchen indigniert. McLennan einen Kopf kleiner, fast kahlköpfig, etwas bieder, derjenige im Go-Betweens-Songwritergespann, der wie eh und je durch seine sehr körperliche Hingabe an Lyrics und Melodien fehlendes Charisma ausgleicht. Als sei es das Selbstverständlichste der Welt, stehen sie da und spielen Go-Betweens-Songs, ohne Wehmut, ohne vergangene Zeiten zu beschwören, einfach so.

Wie immer sind es die Melodien und die Songs als solche, die ihre alten Fans ganz froh, ausgeglichen und milde stimmen. Nicht das ach so tolle und „virtuose“ Gitarrenspiel, das hie und da hakt. Sowas stört hier keinen, auch nicht, „daß sie sich ruhig ein wenig mehr hätten einfallen lassen können“, wie ein Kollege rummäkelt.

Schon früher hieß es immer, wer die Go-Betweens mag, kann kein böser oder schlechter Mensch sein. Sei es nun, weil ihre Songs den Glauben an Schönheit und an ein besseres Leben irgendwo anders irgendwann später vermittelten und man sie auch dem oder der Angebeteten vorspielen konnte, (anders als beispielsweise die Alben der TV Personalities, die viele Go-Betweens-Fans damals ebenfalls nicht zu knapp in ihren Plattenschränken stehen hatten).

Sei es, weil die Go-Betweens in personae so sympathisch waren und „denen ihr Spiel“ nicht mitspielen wollten. Die Zeit war zwar die ihre, es gab haufenweise Bands, die mit Punk groß geworden waren und in diesem Bewußtsein Popsongs schrieben. Doch bei allem Driften und Croonen über die Kontinente hatten sie oft das Gefühl, irgendwie immer am falschen Ort zur falschen Zeit zu sein. Forster beschreibt das in einem kleinen Vorwort zu der kürzlich veröffentlichten „Best-Of-Go-Betweens“-Compilation „Bellavista Terrace“ so: „The Eighties: A decade described often by people in a way that bears no relation to the decade I lived in, (...). Greed, money making, excess were not part of our lives“.

Als sie dann mit kalkulierten Hits wie „Right Here“ und „Cut It Out“ und dem Album „16 Lovers Lane“ versuchten (und versuchen sollten), auch kommerziell erfolgreich zu sein, scheiterten sie, ohne sich dessen groß zu grämen: Es gab Wichtigeres, als Popstars zu sein. Trotzdem sind diese Songs nicht schlechter als frühere, sie sind einfach nur schneller erkennbar, ihre Reize entfalten sich eher auf der Oberfläche. Forster und McLennan selbst machen da sowieso keine Unterschiede und spielen sich quer durch die Go-Betweens-Geschichte. Die Lieder von Forster wie gehabt immer ein wenig spröder und bittersüßer sind als die von McLennan.

Logisch, daß bei aller erinnerungsseligen Begeisterung des Publikums wie früher auch nach einiger Zeit die Songs „Karen“ und „Lee Remick“ gefordert werden, die sehr stürmischen ersten beiden Go-Betweens-Singles ever. Doch „Karen lebt in Brisbane und führt ihren Buchladen“, erklärt McLennan, „Lee Remick ist tot“.

So ist das, wenn sowas wie ein Achtziger-Jahre-Revival überhaupt keinen Reiz ausübt und zwei Herren überzeugt davon sind, aus allen Zeiten herausgefallen zu sein: „The Waste Memory-Wastes“ heißt es in einer Zugabe von McLennan, und Forster folgt mit „Danger In The Past“. Selbst wenn sie dann ganz am Ende doch noch ihre Ode an Karen und ihre immergrüne Hilfe beim Aufspüren von Chandler-, Genet-, und Joyce-Büchern spielen, gibt es keine großen Gefühlsduseleien, sondern einfach nur die Freude darüber, daß man über ein schönes Songrepertoire mit ein paar wirklich hinreißenden Liedern verfügt.

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