Das Schweigen des Werthebach

■  Der Verfassungsschutzausschuß will die Arbeit von Stasi-Spitzeln überprüfen, aber der Innensenator blockiert. Geheimdienstexpertin Künast spricht von „Geheimhaltungsshow“

Im Verfassungsschutzausschuß hat Innensenator Eckart Werthebach (CDU) gestern jegliche Auskunft darüber verweigert, wie viele Stasi-Spitzel für den Verfassungsschutz tätig sind. Auf der Tagesordnung stand die Frage erneut, weil in der vergangenen Woche eine gefälschte Presseerklärung des Verfassungsschutzes aufgetaucht war, die Insiderwissen aus dem Geheimdienst enthält. In dem gefälschten Schreiben werden vier Verfassungsschützern schwere Fehler im Zusammenhang mit der Affäre um den Polizeibeamten Otto Dreksler vorgeworfen. Das Amt hatte den leitenden Polizeibeamten im vergangenen Jahr zu Unrecht beschuldigt, Mitglied von Scientology zu sein. Dabei hatte sich das Amt auch auf Angaben eines V-Mannes mit dem Decknamen „Junior“ berufen, der schon für die Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter gearbeitet hatte.

Doch offenbar stand oder steht auch ein hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter im Dienst des Verfassungsschutzes: Unter dem Decknamen Herbert soll ein „einstmals in der DDR-Nomenklatura hoch angesiedelter hauptamtlicher HVA-Offizier mit der Ausforschung der Berliner Scientology-Zentrale“ beauftragt gewesen sein, heißt es in dem gefälschten Schreiben. Eine „treffende Beschreibung“, wie die grüne Verfassungsschutzexpertin Renate Künast erschutzexpertin Renate Künast erklärte. Sie bezeichnete es als „unerträglich“, daß ein früherer hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter beim Verfassungsschutz nahtlos seine Tätigkeit fortsetzen könne. Die SPD-Abgeordnete Kirsten Flesch kritisierte, daß der Ausschuß bereits vor einem Jahr Auskunft über Stasi-Spitzel beim Verfassungsschutz begehrt habe. Doch schon Werthebachs Vorgänger Jörg Schönbohm habe den Ausschuß darüber nicht informiert.

Im Parlamentsausschuß, der die Arbeit des Geheimdienstes kontrollieren soll, blockte Werthebach gestern alle Fragen ab. Wegen des gefälschten Schreibens sei Strafanzeige wegen Verleumdung und Urkundenfälschung erstattet worden. Auch der Staatsschutz, der für politisch motivierte Strafttaten zuständig sei, ermittle. Werthebach verwies gar auf die „Desinformationskampagnen“ der Stasi-Hauptabteilung C. Auch in diese Richtung werde ermittelt.

Werthebach hat Verfassungsschutzchef Vermander untersagt, sich zum Inhalt des Schreibens öffentlich zu äußern. Zur Frage der Stasi-Spitzel erklärte der Innensenator lediglich, daß seit einiger Zeit alle Informanten des Verfassungsschutzes überprüft würden. Einen Bericht über die Erkenntnisse kündigte er für die Juni-Sitzung des Ausschusses an.

Künast, die sich mit Werthebach einen heftigen Schlagabtausch um die Kontrollrechte des Ausschusses lieferte, sprach von einer „Geheimhaltungsshow“ des Innensenators. Wenn der Ausschuß nicht informiert werde, „dann sollten wir hier unsere Koffer packen“. Dorothee Winden