piwik no script img

„Immer frisch und ruck, zuck geerntet“

■ Jürgen Huhn serviert in seinem Thüringer Lokal die pralle bunte Wiese

taz: Bei Ihrer Speisekarte weiß man nicht so richtig, ob man im Wirtshaus ist oder auf dem Botanikerkongreß. Essen Sie außer „Beifuß-Sorgenbecher“, „Huflattichrouladen“ und „fritierten Brennesselblättern“ noch was anderes?

Jürgen Huhn: Wenn Sie mich sehen könnten, hätten Sie die Frage nicht gestellt. Ich bin wirklich gut vom Fleisch genährt.

Woher kommt Ihre Passion für Wildkräuter?

Ein Freund hat mich und meine Frau infiziert. Der jagt jede Kuh von der Weide, aus Angst, sie könnte ihm was wegfressen. Bei uns ist die Leidenschaft etwas gemildert. Wir bieten das Wildgemüse in unserem Landgasthof an. Zuerst waren wir mißtrauisch. Inzwischen haben wir aber viel rumprobiert, damit nur wirklich gute Dinge auf den Tisch kommen. Wir sind nämlich keine Apotheke, sondern ein Gasthof. Der gesundheitliche Nutzen interessiert uns weniger.

Sind Wildkräutergerichte tatsächlich richtig lecker?Vieles schmeckt doch ganz schön bitter?

Wildgemüse ist bitter, das ist richtig. Aber man verfeinert es bei der Zubereitung, und dann schmeckt das schon sehr gut. Ich putze gerade einen Salat aus Löwenzahn, Giersch, Liebstöckel, Taubnessel, Bärlauch. Da gebe ich etwas Feldsalat dazu, das mildert den Bitterton, und dann mache ich eine einfache Vinaigrette. Als Öl nehme ich neutrales Distelöl, damit der Eigengeschmack der Kräuter nicht überdeckt wird.

Jetzt ist Hochsaison. Haben Sie heute schon Ihren Spitzwegerich geholt?

Bei mir wächst das rings ums Haus. Ich gehe mit meinem gelben Eimer nur ein paar Schritte, und dann wird geerntet. Immer frisch und ruck, zuck.

Haben Sie keine Sorgen, wenn das am Straßenrand wächst und dreckig ist?

Wir wohnen am Arsch der Welt, das ist in diesem Fall von Vorteil. Außerdem wird das Wildgemüse in Essigwasser abgewaschen, es ist auch nicht schmutziger als normales Gemüse.

Was wäre für unsere Leser, die keine großen Erfahrungen haben, die ideale Einstiegsdroge, was richtig Feines und nicht so bitter.

Dann wäre die Brennesselsuppe gut. Brennesseln kennt jeder, und sie sind leicht zu finden. Aber bitte nur die Spitzen nehmen, also die oberen zwei Blattreihen. Handschuhe sind empfehlenswert.

Wir bitten um das Rezept!

Sie machen zunächst eine ganz normale Kartoffelsuppe. Also eine Fleischbrühe aufsetzen aus Knochen und Suppengrün und den Sud mit Kartoffeln, etwas Karotten und Lauch zur Suppe kochen. Die Brennesseln in Essigwasser waschen, die Stiele entfernen, die Blätter kleinhacken und in die Suppe geben, solange die Kartoffelstückchen noch etwas Biß haben. Die Suppe dann noch einmal aufkochen, damit die kleinen Stacheln der Brennessel beseitigt werden. Abschmecken mit Pfeffer, Salz, Muskat, und ich rühre ja am Schluß noch ein rohes Ei rein. Fertig.

Wieviel Brennesseln nehmen Sie?

Fifty-fifty. Genausoviel Brennesseln wie Kartoffeln, also schon ein paar ordentliche Hände voll. Ein anderes schönes Rezept ist die Bärlauchsuppe.

Wie geht die?

Zwei schöne Hände Bärlauchblätter inklusive Stengeln – vor der Blüte gesammelt, sonst taugt der Bärlauch nichts mehr! – im Öl kurz anbraten, einen halben Liter Wasser zugießen und etwas Brühe, zwanzig Minuten köcheln lassen. Abschmecken mit Pfeffer, Salz, zwei Eier unterziehen und mit Croutons servieren. Interview: Manfred Kriener

Adresse: Landgasthof Huhn, Dorfschenke und Schlemmerstube, Bahnhofstraße 7, 98597 Altersbach, zwischen Schmalkalden und Oberhof. Ganzjährig Wildkräutergerichte auf der Karte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen