: Küssen verboten?
Wie stehen die Massai zu Frauen? Wie sehen sie die Geschichte von der weißen Massai? Drei schwarze Massai – beim Talk im Busch. Moderiert ■ von Stefan Schomann
Ein abgeschiedenes Hüttendorf am Natronsee, an der Grenze von Tansania zu Kenia. Drei Männer liegen im Schatten einer Akazie. Melau, mit Mitte fünfzig der Dorfchef, hat zehn Frauen. Sein Sohn Naibala, Anfang zwanzig, ist noch unverheiratet, ebenso Leperes, ein etwa dreißigjähriger Krieger aus dem Nachbardorf. Zusammen mit Dolmetscher Thomas Kuya reden wir über dies und das. Schließlich erzähle ich die Geschichte von der „weißen Massai“ und ihrem Mann.
Melau: Wieviel hat er ihrem Vater denn bezahlt?
taz: Soweit ich weiß, nichts.
Leperes: Dann hat er gut was gespart. Vielleicht hätte er sonst gar nicht heiraten können. Fünfzehn Kühe hätte sie ihn bestimmt gekostet.
Melau: Ach, mindestens zwanzig Kühe. Dazu zwei Kilo Zucker, Tee, Bier und ein Kleid für die Frau.
Könntet Ihr Euch vorstellen, eine Touristin zu heiraten?
Leperes: Ich weiß nicht.
Naibala: (schweigt)
Melau: Für mich wäre es ganz einfach. Ich habe ja viele Kühe.
Und wie, glaubt Ihr, käme sie hier zurecht?
Melau: Es wäre schwierig. Wir führen ein hartes Leben, die Weißen halten das nicht aus. Aber wenn die Frau es unbedingt wollte, ginge es schon.
Was würdet Ihr denn von ihr erwarten?
Melau: Am wichtigsten ist das Melken. Morgens und abends. Wer melkt denn bei Euch?
Frauen oder Maschinen.
Melau: Zweitens müßte sie den Kuhpferch öffnen und schließen und morgens und abends die Tiere zählen. Kühe, Kälber, Schafe, Ziegen und Esel. Drittens müßte sie lernen, eine Hütte zu bauen.
Wie geht das?
Melau: Keine Ahnung. Das ist Frauensache, wir Männer schlafen nur darin. Sie gehen in den Busch, schlagen Äste, sammeln Kuhfladen für die Wände, irgendwie machen sie es schon.
Leperes: Außerdem müßte sie mir jeden Abend mit Milch aufwarten. Dann kochen und die Kalebassen spülen. Wenn sie nach den Kälbern gesehen hat, kann sie zu Bett gehen.
Und was könnte sie von Euch erwarten?
Melau: Ich würde ihr sagen, was sie zu tun hat.
Naibala: (schweigt)
Wie sollte sie denn aussehen?
Leperes: Schöne Augen, weiße Zähne, eine gerade Nase, so wie Du. Nicht zu dick, nicht zu dünn. Und sie müßte sanft und schmeichelend zu mir sprechen.
Melau: Sie darf aber nicht stinken. Eine schöne Frau, die stinkt, bringt einen in Konflikt.
Leperes: Weiße Frauen riechen aber besser, weil sie Seife benutzen statt Ziegenfett.
Wie stünde es mit der Liebe? Corinne Hofmann schreibt zum Beispiel, wie enttäuscht sie war, daß ihr Mann sie nicht küssen wollte.
Melau: Nein, das mögen wir nicht!
Wer, die Männer oder die Frauen?
Leperes: Die Frauen vielleicht schon, die küssen sich auch untereinander. Aber Männer haben das bei uns noch nie gemacht.
Wenn die Frau nun darauf besteht?
Melau: Also gut, dann dürfte sie mich vielleicht aufs Ohr küssen.
Wäret Ihr auch eifersüchtig?
Leperes: Bei Frauen mußt du immer auf der Hut sein. Ich würde ihr zum Beispiel sagen, daß ich für vier Tage fortgehe – und dann nachts zurückschleichen, mich in der Herde verstecken und die Hütte beobachten. Und wenn ein anderer bei ihr ist, habe ich ein Messer.
Naibala: Ich würde ihr sagen, daß ich am Abend zurückkomme – und dann zwei Wochen lang fortbleiben, bis sie unvorsichtig wird.
Melau: Der Mann muß das Sagen haben, er hat ja für die Frau bezahlt. Wenn sie nicht pariert, muß er sie schlagen. Wenn es ganz arg kommt, schickt er sie nach Hause zurück.
Leperes: Man kann schon versuchen, miteinander zu reden. Aber üblich ist es nicht.
Und wenn Ihr Kinder miteinander hättet?
Melau: Die Töchter gehören zur Mutter, die Söhne bleiben hier.
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