: Grün ist die Zukunft? –Offener Brief an die Grünen
Das, was Kritiker Euch schon lange ans Gewissen legen, macht der Kosovo-Konflikt für Euch unbequem deutlich. Ihr könnt es drehen wir Ihr wollt, es bleiben faule Ausreden!
Ihr macht Euch (reformatorisch?) stark, für eine Demokratie, die keine ist! Für eine rationale Globalisierung, die dafür sorgen wird, daß die Grenzen der „Dritten Welt“ nur verschwimmen! Zur Erinnerung: USA 1995, Weltwirtschaftskonferenz über die Bestimmung dieser rationalen Zukunft. Ein Fünftel (wie gehabt) der Weltbevölkerung in Arbeit, der „Rest“ bekommt irgendwie das eigens formulierte Tititainment (neues Wort für Brot und Spiele).
Ihr macht Euch stark, für eine egoistische Politik, die ihr Gewissen damit befreit, daß sie nach veralteten, heuchlerischen Denkstrukturen handelt! Kriegerische „Befreiungsaktionen“ (Heldentaten!?) sind kein Vorbild für menschliches Handeln.
Ihr macht Euch stark für eine Rückkehr (Abschiebung) der (wenigen aufgenommenen) Flüchtlinge, in ein Land was durch Bomben verseucht und emotional aufgewühlt ist. Mit der Ökonomie dieser Weltwirtschaft, ist es angesichts der offensichtlich mit Rußland vergleichbaren Situation eine mörderische Verdrängung der Tatsache, daß die Menschen mit noch größeren Problemen auch wieder allein sein werden!
[...] Heute weiß ich, daß der Parlamentarismus jeden verdirbt, aber die Bewegung der Grünen hat schon vom Anfang ihrer Karriere am Polittheater die falschen Individuen sich selbst produzieren lassen. Ihr seid nur ein Teil des gesamt verkommenen materialistischen Schauspiels!
Wenn es eine Zukunft gibt, dann findet sie auf der Straße ihren Anfang! Horst Torsten Ostendorf, Bremerhaven
betr.: „Kollateralschäden“
[...] Es geht schon lange nicht mehr um „Kollateralschäden“, unbeabsichtigte Nebenwirkungen eines militärischen Schlages, die die Zivilbevölkerung treffen. Sondern der Krieg gegen Jugoslawien ist wesentlich zu einem gezielten Krieg gegen die Bevölkerung geworden, in dem die Nato tagtäglich den Menschen beweist: Wir haben die Macht, zu zerstören wovon euer Leben abhängt: Eure Strom- und Wasserversorgung, eure Industrie, eure Brücken, Eisenbahnen, Autobahnen, eure Medien. Und niemand kann uns hindern, auch Bomben auf Krankenhäuser, Gefängnisse, Wohngebäude zu werfen. Alle sollen wissen: Egal, wie erfolgreich oder erfolglos die militärische Auseinandersetzung ist: Die zivilen Opfer können jederzeit erhöht werden, zur Vernichtung der Menschen und ihrer Lebensgrundlagen hat die Nato allemal genügend Material und ist auch bereit, dieses einzusetzen.
Wenn davon gesprochen wird, daß die Nato-Angriffe „Wirkung zeigen“, dann ist in keiner Weise ein Rückgang der Vertreibung der Kosovo-Albaner gemeint, sondern damit sind die Wirkungen in der Zivilbevölkerung gemeint, wie sie sich zum Beispiel in Demonstrationen von Jugoslawen gegen den Krieg ausdrückt. Die jugoslawische Regierung reagiere „zunehmend nervös“, heißt es dann – in Jugoslawien handelt es sich eben nicht um eine totale Diktatur, bei der der Regierung egal sein kann, wie das Volk reagiert.
Und „ganz nebenbei“ wird die Nachkriegsordnung vorbereitet: Jugoslawien wird wirtschaftlich absolut abhängig sein: von der Weltbank, der westlichen Industrie und den großen kapitalistischen Konzernen. Ein eigener Aufbau oder gar ein nur minimales Abweichen von dem kapitalistischen Weg wird ein für allemal verhindert sein; die Börse kann sich über die Kriegskonjunktur und auf die Nachkriegskonjunktur freuen. [...] Michael Rothschuh, Hildesheim
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