: Horror im Kindergarten
■ Gerettet: Beim VfB Stuttgart gilt das Optimierungsziel „Mayer-Vorfelder raus“
Stuttgart (taz) – Ist der VfB Stuttgart ein Kindergarten? Und Ralf Rangnick womöglich der Kindergärtner, der die Aufgabe der Erziehung übernommen hat? Gut: Der 1:0-Sieg gegen Werder Bremen durch ein Tor von Fredi Bobic (6.) hat die einstige Schmiede magischer Dreiecke vor dem Abstieg bewahrt. „Das war meine Mission“, sagt VfB-Trainer Rangnick.
Mit äußerster Nüchternheit hat er deren Gelingen kommentiert. Große Jubelarien, Schönfärberei im Genuß des Augenblicks: Das ist die Sache Rangnicks nicht. Im Gegenteil: „Ich bin ein Trainer, der sehr gerne die Dinge bis ins Detail plant“, sagt er.
Deshalb hinterließ das Risiko, mit dem sein vorzeitiges VfB-Engagement behaftet war, stets ein Grummeln in Rangnicks Magengegend. Die Konfrontation mit dem Ungeplanten ist ihm ein Greuel, im Falle der vier Wochen Tätigkeit bis heute auch ein Rätsel.
Und da kommt wieder der Kindergarten ins Spiel: „Ich habe Dinge erlebt, von denen ich nicht einmal geahnt hätte, daß es sie in einer Fußballmannschaft geben kann“, sagte Rangnick bass erstaunt. Es sei ihm vorgekommen, „als würde man Kindern verbieten, Horrorfilme zu schauen – und dann tun sie es trotzdem.“
Deshalb hat er die Hierarchie zwischen Trainer und Team klargestellt und „massiv unterschiedliche Meinungen“ ausgeräumt. Jedenfalls hat Rangnick zumindest teilweise Gehör gefunden. „Das finde ich absolut in Ordnung“, sagte Torhüter Franz Wohlfahrt. Und gab zu bedenken: „Nicht nur die Spieler müssen aus dieser Saison ihre Lehren ziehen, sondern auch die anderen.“
Wer sind: die anderen? Die Vereinsführung etwa? Also Gerhard Mayer-Vorfelder? Der VfB-Präsident sagt zwar auch: „So eine katastrophale Saison habe ich in 24 Jahren noch nie erlebt.“ Doch die Seinige meinte er sicher nicht: „Schlechter Start“ oder „Verletzungspech“ und „Schiedsrichterentscheidungen“, das waren MVs Erklärungsmuster.
Überhört hat der Gutsherr vom Wasen die permanenten „Vorfelder raus“-Rufe im und vor dem Neckarstadion zwar nicht. Immerhin: „Ich nehme es den Fans nicht übel, wenn sie 'Mayer-Vorfelder raus' rufen.“ Doch nicht Nachsicht oder gar Einsicht bringen Mayer-Vorfelder zu dieser Aussage – denn: „Das haben die Fans doch auch gerufen, als wir Deutscher Meister wurden.“ Ob das logisch ist, ist eine andere Frage: Jedenfalls ist es wahr. Thilo Knott
VfB: Wohlfahrt – Thiam, Verlaat, Oswald, Keller – Pinto (57. Rost), Soldo, Balakow, Carnell – Akpoborie (63. Zeyer), Bobic (80. Ristic)
Werder Bremen: Rost – Trares – Wojtala (46. Dabrowski), Maximow (67. Ailton) – Frings, Eilts, Herzog, Wicky, Wiedener – Bogdanovic, Bode
Zuschauer: 40.000
Tor: 1:0 Bobic (6.)
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