Notstand Bremen-Ost

■ Mit einer Postkarte und viel Geschwätz weist die Soziokultur aus Bremen-Ost jetzt auf ihre Existenz hin / Eine Beschimpfung

Am Anfang die Nachricht: In den Postkartenständern von Kneipen im Bremer Osten und anderswo steckt jetzt ein neues Motiv. Es zeigt ein durch violettes und grünes Licht leicht verfremdetes Auge sowie ein Logo namens „Ostblock – Kultur im Bremer Osten“. Auf der Rückseite der Karte weisen das Haus im Park, das Bürgerhaus Mahndorf, der Verein „Ein Haus für unsere Freundschaft“ und andere auf ihre Sommerveranstaltungen hin. Erstmals, so Stephan Uhlig vom Haus im Park, gibt es damit eine gemeinsame Präsentation des Programms im „kulturellen Notstandsgebiet“ Bremer Osten. Verantwortlich dafür ist die Initiative mit dem lustigen Namen „Ostblock“, der zur Zeit Vertreter von neun Einrichtungen angehören und die offen ist für weitere MitstreiterInnen. Wir bitten um freundliche Beachtung der Postkarte.

Und wechseln den Tonfall. Denn so etwas Banales wie ein gemeinsamer Veranstaltungsanzeiger wäre natürlich kein Grund, Journalisten zur Pressekonferenz einzuladen. Akademiker, die es in die Soziokultur oder in andere Einrichtungen der kulturellen Breitenarbeit verschlagen hat, haben anderes im Kopf. Der Bremer Osten ist demnach ein ziemlich heterogenes Gebilde, zählt unter den Bremer „Bezirken“ die meisten Einwohner, wird von Menschen aus 60 Nationen bewohnt und verfügt in Sachen Kultur nur über ungezählte kleinere Einrichtungen sowie mit dem Haus im Park nur über eine mittelgroße Institution. Doch auch diese banalen, weil konkreten Zustandsbeschreibungen sind nur der Aufhänger für mehr: nämlich für ein Geschwätz von der postindustriellen und der postnationalen Gesellschaft, von der Umbewertung „aus europäischer Sicht“, vom Verlust von Leitbildern und vom Strukturwandel, der in Bezug zu den Lebensbedingungen einer Region gebracht werden müsse. Hört sich alles ziemlich klug an. Hat aber auch viel Arbeit gemacht.

Immerhin schon seit zwei Jahren trifft sich der Arbeitskreis mit dem wirklich lustigen Namen jeden Monat einmal und „denkt an“. Gemeinsame Veranstaltungen könnten dabei möglicherweise im Jahr 2000 herauskommen. Möglicherweise könnten sie es aber auch nicht. Ach, und man guckt auch, was der andere macht, statt mit ihm zu konkurrieren. Und ein bißchen Zeit, um ganz allgemein darüber zu jammern – ähem: – zu philosophieren, daß die Ortsbeiräte beim Geld ausgeben andere Prioritäten setzen (weil sie es offenbar unsinnig finden, ein „Ostblock“-Plakat zu finanzieren), findet sich auch noch.

Freilich: In der Initiative mit dem ehrlich witzigen Namen sind Leute versammelt, die in ihren Stadtteilfesten, Musikworkshops oder Ausstellungen bescheiden gute Arbeit machen. Aber wenn nach über 20 „Ostblock“-Treffen nicht mehr herauskommt, als eine gemeinsame Postkarte und ein „angedachtes“ koordiniertes Veranstaltungsprogramm, spart Euch besser die Einladung an die Presse. Sonst fängt die nämlich an auszurechnen, was die Überstunden wert sind, die Ihr Euch dafür möglicherweise anstreicht, und erfindet Begriffe wie Selbsterfahrungs-Schwatzbude oder noch drastischeres. Christoph Köster