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Eine Lektion über die Liebe

■ Vorbildlich: Mozarts „Cosi fan tutte“ am Oldenburgischen Theater

Man teilt nichts Neues mit, wenn man sagt, daß Wolfgang Amadeus Mozarts „Cosi fan tutte“ nicht nur in keiner Weise lustig, sondern im Gegenteil eine der Opern ist, die am tiefsten den menschlichen Kosmos aus- und beleuchten. Trotzdem ist in der allgemeinen Meinung noch immer jenes erste Uraufführungsurteil präsent, nach dem es sich „um das albernste Zeug von der Welt“ handelt, das sich in der ablehnenden Haltung des 19.Jahrhunderts fortsetzt. Und auch in durchaus kritischen Inszenierungen wie der von Andras Friscay waren noch immer künstliche Opernfiguren- und SängerInnen zu erkennen, mußte das Publikum sozusagen eine interpretatorische Übersetzungsarbeit leisten.

Es ist die allererste Qualität der neuen Inszenierung von Didier von Orlofsky am Oldenburgischen Staatstheater, daß das nicht erforderlich ist. Die Direktheit, mit der Orlofsky in perfekter Übereinstimmung mit der Musik fast ohne Interpretation – so möchte man die Klarheit seines Stiles bezeichnen – zu Werke geht, dürfte im Regietheater ihresgleichen suchen. Or-lofsky hat in Bremen vor vielen Jahren einen brillanten „Barbier von Sevilla“ inszeniert, vor fünf Jahren in Oldenburg „Beatrice et Benedict“ von Hector Berlioz; seit er eine Professur für Opernregie an der Lübecker Musikhochschule betreut, sind seine Inszenierungen rarer geworden. Nach dieser Cosi sollte man keine mehr versäumen.

Mozarts Kammerspiel erzählt die üble Wette des alternden Philosophen Don Alfonso mit seinen Freunden Guglielmo und Ferrando, daß Frauen nicht treu seien und daß er ihnen das beweise, wenn beide ihm zwölf Stunden gehorchen. Sie müssen verkleidet den jeweils gegenseitigen Bräuten, den Schwestern Dorabella und Fiordiligi den Hof machen. Dorabella fällt als erste, Fiordiligi als zweite, die neuen Paare arrangieren die Hochzeitsfeier. Da kommen die alten zurück, geben sich als dieselben zu erkennen, nehmen die Entschuldigungen ihrer Frauen an, und es wird ein furioses Happy end gesungen. Selbstredend ist zu viel passiert, als daß das noch möglich wäre.

Orlofsky siedelt das Spiel in einer halbmodernen WG an. Die Klamotten sind aus den 50er und 60er Jahren, die Damen lesen „Marie-Claire“ und futtern Croissants. Sie verlieben sich in die Neuen – aktiv und in keiner Weise nur verführt – mit aller Dramatik, die so etwas bedeutet, mit aller Verzweiflung und mit aller Lust: Mozarts Musik sagt zu klar, daß es kein Spiel und schon mal gar keine Unmoral ist.

All das ist möglich durch eine exzellente schauspielerische Genauigkeit, die besonders von den Rezitativen ausgeht. Barbara Friebel als Fiordiligi, Alexia Baslie als Dorabella, Paul Brady als Guglielmo und der stets aufgeregte Alois Riedel als Ferrando bilden ein hervorragend singendes Quartett. Anja Burkhardt und Fritz Vitu als Despina und Alfonso bilden den Background der unaufhaltsam zusammenbrechenden Welt der Paare. Der Schluß, nachdem sie sich nur noch angebrüllt haben: alle vier rennen auseinander. Leider entschied man sich für die deutsche Sprache, verführt von der guten Inszenierung und der hohen Qualität der orchestralen Wiedergabe unter der Leitung von Reinhard Seifried, konnte ich meine Probleme damit aber bald verdrängen. Würde man sich ausdenken, mit was man Opernmuffel verführen kann: hier ist so eine vom ersten bis zum letzten Takt spannende Aufführung. In Zeiten kopfloser kulturpolitischer Aktionen und Investitionen, in denen immer mehr draufgesetzt anstatt von innen heraus Konzeption und Qualität entwickelt wird, zeigt eine solche Produktion eins überdeutlich: Es kann keine eingekaufte Kultur funktionieren, die nicht ihr Fundament in einem unverzichtbaren Niveau der lokalen Produktionen hat. Ute Schalz-Laurenze

Die nächsten Aufführungen: 1., 3., 5., 12. ,21. und 31. Juni

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