Unterm Strich

Kunststreit I: Die Auseinandersetzung zwischen dem russischen Präsidenten Boris Jelzin und der Duma über das „Beutekunst“-Gesetz ist in die wohl entscheidende Etappe gegangen. Das russische Verfassungsgericht begann mit der Verhandlung über zwei Anfragen Jelzins zu dem Gesetz, das er vergangenes Jahr gegen seinen Willen unterzeichnen mußte. Der Entwurf erklärt alle im Zuge des Zweiten Weltkriegs von Deutschland in die Sowjetunion verbrachten Kulturgüter zum Eigentum Rußlands. Nach Ansicht Jelzins widerspricht das Gesetz dem Völkerrecht und den deutsch-russischen Freundschaftsverträgen. Die Duma und der Föderationsrat hatten das Veto Jelzins gegen das Restitutionsgesetz mit der jeweils notwendigen Zweidrittelmehrheit überwunden. Jelzin hatte die Unterschrift unter den Entwurf jedoch verweigert. Das Verfassungsgericht hatte daraufhin nach einer Anfrage der Duma im Frühjahr 1998 die formelle Verpflichtung Jelzins zur Unterzeichnung nach der Abstimmung festgestellt. Es geht um etwa 200.000 Kunstobjekte, darunter der Goldschatz des Priamos, und rund zwei Millionen Bücher und Archivgut.

Kunststreit II: Die Ausstellung „Aufstieg und Fall der Moderne“ wird vor Gericht gezeigt. Die in Berlin lebende Malerin Ellena Olsen will erreichen, daß ihre beiden Werke aus der Schau entfernt werden. Der Streit dürfe keine neuen Gräben zwischen Ost und West aufreißen, mahnte Thüringens Kulturminister Gerd Schuchardt. Kunstsammlungsdirektor Rolf Bothe ist unterdessen argumentativ auf der Suche nach Schadensbegrenzung. Noch nie hätten sich die gesamtdeutsche Presse und auch die Besucher so engagiert mit der DDR-Kunst auseinandergesetzt wie jetzt. Die enge Hängung, die zum Anlaß der Kritik wurde, solle „entzerrt“ werden, sagte Bothe. Die betroffenen Künstler können sich nach Ansicht des Berliner Rechtsanwalts Winfried Bullinger auf das Urheber-Persönlichkeitsrecht berufen, auch wenn sie ihr Bild nicht mehr besitzen. Der Urheber könne eine Entstellung oder andere Beeinträchtigungen seines Werkes verbieten lassen. Der Gesetzgeber habe den Künstler damit ausdrücklich davor schützen wollen, daß er es hinnehmen muß, „daß sein geistiges Kind entstellt der Öffentlichkeit präsentiert wird“, sagte Bullinger.