: Gelungene Resozialisierung, mal anders gesehen
■ Bankraub mit Todesfolge in Schweden war das Werk dreier schillernder Neonazis
Stockholm (taz) – Ein brutaler Bankraub am vergangenen Freitag im südschwedischen Ort Kisa, bei dem die Täter zwei Polizeibeamte erschossen, läßt die Gefährlichkeit der Neonazis in Schweden in einem neuen Licht erscheinen. Die drei Täter waren nicht nur Mitglieder der „Nationalsozialistischen Front“ (NSF) – ihre Beute war vermutlich auch zur Finanzierung der NSF-Arbeit gedacht.
„Wir bekommen ja keine staatlichen Beiträge, und da müssen wir eben andere Quellen suchen“, sagte NSF-Führungsmitglied Jonas Nyberg gestern. Die 1994 gegründete NSF gilt als Schwedens einzige ernstzunehmende Neonazi-Organisation. Sie hat einen Schwerpunkt im Süden, Gruppen mit jeweils etwa 100 Mitgliedern in Stockholm und Göteborg und kleinere Lokalgruppen nahezu im ganzen Land. Sie pflegt Kontakte zu „Combat 18“ in Großbritannien und zu Neonazis in Dänemark, Norwegen und Deutschland.
Die drei NSF-Mitglieder sind bestens in der Neonazi-Szene verankert. Andreas Axelsson ist der Computerexperte der Gruppe, hat ein reiches Vorstrafenregister und glaubt an eine nationalsozialistische Revolution. Erfahrungen in einem „richtigen“ Krieg hat Jakkie Arklöf, als Sohn einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters einer der wenigen farbigen Neonazis. Er verdingte sich in den 90er Jahren in Bosnien auf seiten der bosnischen Kroaten. Wegen Kriegsverbrechen in Gefangenenlagern bei Capljina, in denen blutige „Säuberungen“ von Muslimen stattfanden, während er dort Aufseher war, wurde er 1995 von einem Gericht in Bosnien zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, kam im Rahmen eines Gefangenenaustauschs aber ein Jahr später frei.
Der dritte NSF-Aktivist schließlich, Tony Olsson, galt bis Freitag als geglücktes Resozialisierungsobjekt. Der wegen schwerer Gewalttaten einsitzende Olsson war Mitglied der Schauspielertruppe, die das umstrittene Stück „Sieben-Drei“ von Lars Norén (siehe taz vom 11. 3.) aufführte. Zusammen mit anderen Neonazis spielte er sich auf der Bühne selbst, was Norén, dem bekanntesten zeitgenössichen Theaterautor Schwedens, den Vorwurf einbrachte, sich an der Verbreitung neonazistischer Ideologie zu beteiligen. Am Donnerstag verschwand er nach einer Theateraufführung in Stockholm, um sich einen Tag später am Bankraub zu beteiligen. Über seine Beteiligung und die der anderen Neonazis am Theaterprojekt hatte die Kriminalbehörde vor zwei Wochen ungewollt prophetisch geschwärmt: „Sie haben sich menschlich außerordentlich weiterentwickelt und neue Fähigkeiten bei sich entdeckt. Alle haben konkrete Zukunftspläne.“ Reinhard Wolff
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