: „Mit Hämmern wurden Knöchel gebrochen“
■ Freigelassene Kosovo-Albaner berichten von Folter durch Serben in Gefängnissen
Berlin (taz) – In Gefängnissen im Kosovo werden nach Informationen des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) Gefangene mißhandelt und gefoltert. Das gehe aus den Berichten freigelassener Kosovo-Albaner hervor, berichtete das UNHCR am Montag in Genf. Am Wochenende waren 51 Ex-Gefangene aus dem Gefängnis Lipljan nach Makedonien und 157 aus dem Gefängnis Smrekonica (bei Kosovska Mitrovica) nach Albanien gelangt. Der Bericht eines Gefangenen, den das UNHCR exemplarisch in einem anonymisierten Ausschnitt vorlegte, deckt sich weitgehend mit Aussagen ehemaliger Gefangener, die kürzlich von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch über die Vorgänge im Gefängnis Smrekonica veröffentlicht wurden.
Ein Kosovo-Albaner beschrieb seine Ankunft im Gefängnis Smrekovnica nach Angaben des UNHCR so: „Kurz nach dem Aussteigen aus dem Bus wurden einige der Männer von den Wachen verprügelt und dabei als Terroristen beschimpft. Am ersten Tag erhielten die Männer aus seiner Gruppe kein Essen. Am zweiten Tag erhielten sie nur ein kleines Stück Brot. Später bekamen sie zweimal am Tag etwas Brot. Gelegentlich wurde ihnen auch das Essen verboten. Dann erschien die Polizei zur Essens- und Teeausgabe. Die Polizisten sagten: 'Eßt und trinkt!‘ Sobald ein Gefangener damit begann, wurde er mit der Bemerkung 'Das ist genug für dich!‘ von der Polizei verprügelt.
Jeden Tag konnten der Gefangene und seine Mitinsassen durch das Zellenfenster sehen, wie Männer in den Hof unter ihnen gebracht wurden, wo sie von der Polizei geschlagen oder gezwungen wurden, sich gegenseitig zu schlagen. Dabei mußte sie rufen: 'Lang lebe Serbien!‘ Sie wurden auch gezwungen, die Nato, US-Präsident Clinton und andere zu beleidigen. Oft mußte sie sich solange schlagen, bis einer zusammenbrach. Meist wurden Polizeiknüppel benutzt. Aber auch andere Knüppel und selbst Metallstangen wurden eingesetzt. Mit Hämmern wurden Knöchel gebrochen.
Auch im Gang vor den Zellen oder in den Zellen wurde geprügelt, so daß es die anderen Insassen sehen oder hören konnten. Der Interviewte beschrieb den Horror, Tag und Nacht Schreie, Heulen und Rufe hören zu müssen. Gelegentlich waren auch Schüsse zu hören. Als die Wärter gefragt wurden, was dies zu bedeuten hätte, wurde geantwortet, daß streunende Hunde getötet wurden.“
Laut den Berichten, die Human Rights Watch vorliegen, waren im Gefängnis von Smrekovnica bis zu 3.000 Männer im wehrfähigen Alter gefangen. Die Zellen seien teilweise so überfüllt gewesen, daß die Gefangenen sich kaum hätten setzen können. Ein Mann aus Reznik habe berichtet, daß in seiner vier mal acht Meter großen Zelle 76 Männer eingesperrt gewesen seien. Es habe keine Matratzen oder Decken gegeben.
Am 22. Mai habe die erste größere Gruppe das Gefängnis verlassen können. Die meisten seien dort für zwei bis drei Wochen inhaftiert gewesen. Einige Männer seien zuvor schon zwei Wochen in einer Schule in Srbica gefangen gewesen, andere auf der Flucht von ihren Familien getrennt worden.
Die freigelassenen Gefangenen berichteten von Verhören über mögliche Verbindungen zur UÇK. Während der Verhöre seien sie wiederholt geschlagen worden. Ein 27jähriger berichtete: „Ich wurde fünfmal verhört. Zweimal in der Schule und dreimal im Gefängnis. Sie fragten mich, ob ich UÇK-Mitglied sei, wen ich in der UÇK kenne, ob ich der UÇK Geld gegeben hätte, ob ich Verbindungen hätte usw. Immer wenn ich sagte, ich kenne niemanden in der UÇK, wurde ich mit einem Holzknüppel, einem Gummiknüppel der Polzei oder einem Gewehrlauf geschlagen. Sie trafen mich im Rücken und an meinen Händen.“
Zur Zeit können die Berichte ehemaliger Gefangener über die Situation in Gefängnissen des Kosovo nicht von unabhängiger Seite überprüft werden. Sven Hansen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen