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■ Harte Maßnahmen gegen die HühnerverantwortlichenLaß stecken, Minister!

„Dioxin in Eiern und Hühnerfleisch entdeckt!“ – Da haben wir ja wieder eine schöne Misere mit böser Krebschemie auf unserem Küchentisch und verunsicherten Verbrauchern. Alles Schweine, besonders die belgische Regierung, die ja seit einem Monat den Skandal verschweigt.

Doch wenn die Machenschaften oder auch Schlampereien mit Mineralöl im Hühnerfutter nun schon mal ans Licht gekommen sind, wird nun durchgegriffen. Da zeigt sich, daß aus BSE oder den Flüssigeiern selig gelernt wurde. Die Agrar- und Lebensmittelindustrie wird mit schnellen Maßnahmen geschützt, soweit noch möglich. Zwei Brüsseler Minister sind denn auch schon zurückgetreten, alle Hühner und Eier im Nachbarstaat sind vomMarkt. Die EU-Obertierärzte lassen wohl die gesamte Produktion von 400 belgischen Hühnerfarmen aus dem ersten Halbjahr 1999 beschlagnahmen.

Mal sehen, ob auch die eigentliche Misere in Belgiens Agrarsektor angegangen wird: die mafiösen Strukturen aus manchen Bauern, Medikamentenhändlern und den schwarzen Schafen bei Tierärzten und Schlachthöfen. Egal, was in der Vergangenheit im Fleisch auftauchte – schnell weiterverkaufen, bevor es jemand merkt, war die Devise. Da wurde denn auch mal ein Tierarzt umgebracht, wenn er mit einem Skandalfund an die Öffentlichkeit gehen wollte. Daran werden auch die markigen Appelle der Minister aus anderen EU-Ländern nichts ändern.

Dazu kommt – man mag es gar nicht mehr schreiben, so oft wurde es schon gesagt – die moderne Landwirtschaft. Gerade in der Hühnerbranche kommt es auf jeden Bruchteil eines Pfennigs an, damit angesichts der niedrigen Abnehmerpreise noch ein Verdienst bleibt. Und Großbetriebe werden nun mal am rationellsten von großen Tanklastern beliefert. Die fahren anscheinend heute Chemieprodukte und morgen Zusätze für Hühnerfutter.

Solange die Verbraucher billige Eier und Grillhähnchen für zwei Mark kaufen, brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn den Bauern ab und zu ein Malheur passiert. Die Grundmisere der Ausnutzung von Mensch und Tier bis zum Letzten im modernen Agrarbusiness ist nicht durch die geforderten besseren Kennzeichnungs- und Kontrollsysteme zu beheben, sondern nur durch eine andere Landwirtschaft und dazugehörige andere Konsumgewohnheiten. Das freilich kann noch lange dauern. Bis dahin kann es nichts schaden, den Nahrungshändlern ein wenig genauer auf die Finger zu schauen. Reiner Metzger

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