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„500 Millionen Mark für die neue Hauptstadt“

■ Der Ökonom Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fordert höhere Zuschüsse der Bundesregierung, um die kolossale Finanzkrise des Landes Berlin zu lindern

taz: West- und Ostberlin wurden früher von ihren jeweiligen Regierungen künstlich hochgepäppelt. Das ging vielen Leuten auf die Nerven: Im Land Sachsen blätterten die Fassaden, während der Palast der Republik in schönstem Licht erstrahlte. Das DIW fordert nun neue Zuschüsse des Bundes für die Hauptstadt. Warum?

Dieter Vesper: Die Bundesregierung wird Berlin benutzen, um mit der Stadt zu glänzen. Die Opern, die Museen, die Philharmoniker – je mehr repräsentative Aufgaben Berlin wahrnimmt, desto mehr kulturelle Highlights müssen vorhanden sein. Private Firmen bezahlen für eine derartige Nutzung der öffentlichen Infrastruktur die Gewerbesteuer, öffentliche Stellen tun dies nicht. Man könnte sich also eine „Infrastrukturnutzungsabgabe“ vorstellen, die die Bundesregierung zu zahlen hätte.

Gilt das auch für die Finanzierung der Polizei?

Wenn die Polizei dem Bundesgrenzschutz Arbeit abnehmen und mehr Bundeseinrichtungen sichern soll, würde das eine höhere Polizeidichte als in Hamburg oder Bremen erfordern – und die müßte dann auch der Bund teilweise bezahlen.

Heute schon bekommt Berlin fast ein Drittel seiner Einnahmen aus Bundesmitteln: Zwölf von 36 Milliarden Mark jährlich. Sollte das nicht reichen?

Offensichtlich nicht. Zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft eine riesige Lücke, die das Land selbst kaum schließen kann.

Wie sieht es denn in anderen Hauptstädten weltweit aus?

Im US-amerikanischen Washington D.C. etwa finanziert die Bundesregierung fast die Hälfte des kommunalen Etats. Das bringt aber auch Nachteile mit sich: Denn Washington muß sich seinen Haushalt vom Kongreß bestätigen lassen.

Gibt es europäische Beispiele?

Das betrifft fast alle europäischen Hauptstädte. In Wien etwa finanziert die großen Theater der Bund.

Mit Argumenten wie Ihren riskiert man, daß der Anti-Berlin-Impuls in der Republik zunimmt.

Nicht unbedingt. Es gibt schon objektive Notwendigkeiten. Mit der Repräsentationskultur, die die Hauptstadt bereithalten muß, ist sie einfach überfordert. Ähnliches gilt für die Verkehrssysteme.

Sie betonen stark die Hauptstadtfunktion. Liegt der wesentliche Grund für die Berliner Finanzkrise nicht im Zusammenbruch der veralteten Unternehmen nach dem Mauerfall?

Das ist nur ein Grund. Außerdem spendierten die Regierungen riesige, überdimensionierte Verwaltungsapparate, die dem Land nun in Gestalt eines erheblichen Personalüberhangs zur Last fallen. Das hat mit der neuen Hauptstadt in der Tat nicht viel zu tun.

Dann stellen Sie einen falschen Begründungszusammenhang her, wenn Sie höhere Zuschüsse fordern.

Nein, denn die Hauptstadtfunktion kommt hinzu. Dabei handelt es sich um einen zusätzlichen Bedarf, und der muß auch zusätzlich finanziert werden.

Wieviel Geld mehr braucht die Stadt?

Schwer zu sagen, mindestens 500 Millionen Mark pro Jahr sollten es schon. Ich will allerdings nicht, daß dann ein Geldsegen über die Stadt kommt, und der alte Schlendrian wieder um sich greift. Die neuen Zuschüsse sollten zweckgebunden fließen für Theater, Museen, Denkmalschutz und Infrastruktur. Gleichzeitig müssen natürlich die Sparanstrengungen in Berlin weitergehen.

Interview: Hannes Koch

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