: Dahlemer Filzpantoffeln
■ Politologin Gesine Schwan unterliegt bei Präsidentenwahl an der Freien Universität
Der Ruf der Kandidatin ist gerettet. Würde sie an einer der verfilzten deutschen Universitäten zur Präsidentin gewählt, hatten amerikanische Freunde gewitzelt, dann könne das nur gegen sie sprechen.
Der Kelch ist an Gesine Schwan vorübergegangen. Der neue Präsident der Freien Universität Berlin ist der alte: Der unauffällige Mediziner Peter Gaehtgens erhielt im 61köpfigen Wahlgremium aus Professoren, Studenten und Mitarbeitern eine klare Mehrheit von 36 Stimmen. Nach einem Unfall seines Amtsvorgängers hatte er die Hochschule schon seit mehr als einem Jahr kommissarisch geleitet. Die Politikprofessorin Schwan, als Mitglied der SPD-Grundwertekommission auch außerhalb der Hochschule bekannt, kam nur auf 23 Stimmen – obwohl ihre Kandidatur die FU wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt hatte. Doch gerade das störte die publikumsscheuen Wissenschaftler. Auf dem Dahlemer Campus kursierten die wildesten Theorien über eine „Pressekampagne“, die Schwan „inszeniert“ habe.
Gaehtgens ließ gestern keinen Zweifel daran, welchen Umständen er seine Wahl zu verdanken habe. Es sei „allseits bekannt, daß über Personen schon gesprochen wurde“, verriet er auf die Frage nach seinem Mitarbeiterstab. Er werde sich „an die Vereinbarungen halten“. Die Kungelrunden haben sich also durchgesetzt. Als eigentlicher Strippenzieher in Gaehtgens' Team gilt der neue Erste Vizepräsident, der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen.
Drei weitere Vizepräsidenten dürfen Anfang Juli mit ihrer Wahl rechnen. Der Politologe Werner Väth, der schon seit zehn Jahren mit griesgrämiger Miene in der Riege der Stellvertreter sitzt, bleibt weitere vier Jahre von Forschung und Lehre verschont. Wissenschaftlich eine Quantité négligeable, hat er sich als „Reformsozialist“ hochschulpolitisch unentbehrlich gemacht. Hinzu kommen Gaehtgens' Medizinerkollege Werner Reutter aus einer Professorengruppe namens „Dienstagskreis“ und der Wirtschaftsgeograph Gerhard Braun von der konservativen „Liberalen Aktion“. Nach dem akademischen Postenschacher sitzt keine einzige Frau mehr im Führungsteam.
Schwans Idee, auf dem Gelände des früheren US-Hauptquartiers einen kommunikativen Campus nach angelsächsischem Vorbild zu schaffen, scheint nach ihrer Niederlage zu den Akten gelegt. Das sei auf europäischem Boden ohnehin „nicht realistisch“, erklärte Vize Lenzen knapp.
Angesichts solcher Perspektiven spürt die unterlegene Kandidatin die Neigung wachsen, „noch einmal für längere Zeit nach Amerika zu gehen“. Ralph Bollmann
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