piwik no script img

Ein Freund leiser Töne

Der Ärztetag wählte Jörg-Dietrich Hoppe zum neuen Präsidenten. Seine Kritik an der Gesundheitsreform ist weniger scharf als die des Vorgängers  ■   Von Tina Stadlmayer

Berlin (taz) – Gesundheitsministerin Andrea Fischer kann sich freuen: Der Ärztetag, das Parlament der 350.000 deutschen Mediziner, hat in Cottbus den moderaten Vermittler Jörg-Dietrich Hoppe zum neuen Präsidenten der Bundesärztekammer gewählt. Hoppes Vorgänger Karsten Vilmar hatte die Ministerin mit dem Vorwurf attakiert, sie gefährde mit ihrer Gesundheitsreform Leib und Leben der Patienten. Solch überzogene Polemik kommt dem Neuen nicht über die Lippen. Sein Credo: „Für die Ärzteschaft ist es nicht gut, wenn sie im Dauerstreit mit der Politik liegt.“

Dennoch sieht auch Hoppe „die gleichmäßige Versorgung der Patienten“ durch die Pläne der Regierung gefährdert. Anfang Mai hatte der als ruhig und besonnen geltende Pathologe der Ministerin sogar mit Ärztestreiks gedroht. Die Mediziner würden sich „einem Diktat der Kassen“ nicht beugen. Im Extremfall entfalle die Friedenspflicht der Ärzte und „Kampfmaßnahmen“ seien erlaubt.

Der 58 Jahre alte Chefarzt ist seit einigen Jahren Vizepräsident der Bundesärztekammer, außerdem ist er Chef der Landesärztekammer Nordrhein. Hoppe wurde 1940 in Thorn an der Weichsel (heute Polen) geboren. Er studierte Medizin an der Uni Köln und ist seit 1975 Facharzt für Pathologie. Als CDU-Mitglied hat er auch das Vertrauen der überwiegend konservativen niedergelassenen Ärzte.

Sein Gegenkandidat, der SPD-nahe Chef des Marburger Bundes, Frank Montgomery, hatte die versammelte Ärzteschaft durch spektakuläre Medienauftritte und zugespitzte Thesen gegen sich aufgebracht. Auch die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen sind froh, daß Hoppe das Rennen gemacht hat. Er sei in der Vergangenheit dialogbereiter gewesen als sein Gegenkandidat. Hoppe stelle im Gegensatz zu Montgomery das System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich in Frage.

Die Kritik des neuen Ärztepräsidenten am Gesetzentwurf der Regierung ist differenziert. Er hält die geplante Begrenzung der Ausgaben durch ein Globalbudget „als Übergangslösung“ für erträglich. Ausdrücklich lobt er den Plan, daß die Kliniken in Zukunft hochspezialisierte Medizin auch ambulant anbieten dürfen. Der Chefarzt gibt zu, daß es an vielen Kliniken möglich sei, Betten abzubauen. Hoppe regt an, ein Gremium zu bilden, um die Rationierung medizinischer Leistungen und ethische Fragen zu diskutieren. Vertreter der Heilberufe, Theologen, Juristen und Patientenvertreter sollen dabei sein.

Früher bezog der Ärztevertreter „üble Prügel“ (Hoppe) von seinen Kollegen, weil er vorgeschlagen hatte, daß Mediziner, die älter als 65 Jahre sind, keine Kassenzulassung mehr bekommen sollten. Bis heute müssen sie sich erst mit 68 Jahren zur Ruhe setzen.

Hoppe arbeitet zur Zeit als Chefarzt am Klinikum Düren. Als Geiger spielte er im Düsseldorfer Ärzteorchester mit. Er machte sich auch für den Einsatz von Musik im Krankenhaus stark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen