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Gestern so, heute wieder so

In Bremen gewinnt die SPD fast zehn Prozent dazu, die CDU bekommt so viele Stimmen wie noch nie. Henning Scherf und Hartmut Perschau, die Spitzenkandidaten beider Parteien, strahlen um die Wette. Sie freuen sich auf die Fortsetzung der Großen Koalition  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Die Bremer SPD hat ihre abtrünnigen Wähler, die vor vier Jahren die lokale Abspaltung „Arbeit für Bremen“ gewählt haben, wieder zurückgewonnen. Das ist die wesentliche Botschaft der Landtagswahlen in dem Zweistädtestaat. Mit knapp 43 Prozent der Wählerstimmen würde die SPD über 47 der 100 Sitze der Landtages verfügen; sie hat etwa so viele Wählerstimmen bekommen wie 1991. Auch die CDU hat keine Stimmen gewonnen, aber ihre Wähler mobilisieren können und „gewinnt“ dank der um 9 Prozent gesunkenen Wahlbeteiligung; nach den Hochrechnungen käme sie auf 42 Sitze. Die Bremer FDP hat zum zweiten Mal den Einzug ins Landesparlament verfehlt.

Daß in der Seestadt Bremerhaven die Welt etwas anders aussieht, hat einerseits mit der hohen Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Strukturschwäche dort zu tun, andererseits mit einem deutlichen Gefühl, benachteiligt zu sein gegenüber der Stadt Bremen. In Bremerhaven hat die rechtsradikale DVU die 5-Prozent-Hürde geschafft, wird also über die Bremerhavener Liste mit einem Sitz im Landesparlament vertreten sein.

Die Grünen haben im Land Bremen mehr als ein Drittel ihrer Stimmen verloren, bekamen aber mit knapp 9 Prozent einen hinreichenden Sockel, um zusammen mit der SPD eine Mehrheit von 57 Prozent der Abgeordneten zu formieren. Bürgermeister Henning Scherf hat allerdings auch am Wahlabend keinen Hehl daraus gemacht, daß er gern mit einer Großen Koalition weiter regieren würde – trotz der erdrückenden Mehrheit, die SPD und CDU zusammen im Landesparlament hätten. Heute früh will Scherf im SPD-Präsidium, das in Berlin tagt, für diese Position werben. Für den Bundeskanzler geht es allerdings dabei um die für zustimmungspflichtige Gesetze erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundesrat. Im Falle des Staatsbürgerschaftsgesetzes wären zum Beispiel die Verhandlungen mit der FDP nicht erforderlich gewesen, wenn Bremen nicht durch die Große Koalition blokkiert gewesen wäre. Der Wählerauftrag sei aber „so klar und so eindeutig“, meinte Scherf, daß er davon ausgehe, daß auch das SPD-Präsidium sich davon überzeugen lasse. Und mit dem Plazet der SPD in Berlin will Scherf dann am Dienstag nachmittag den Bremer Landesvorstand davon überzeugen, daß in Bremen weiter mit der CDU regiert werden sollte. Als einzige Opposition – neben dem einsamen DVU-Mann – säßen dann die Grünen einer satten Zweidrittelmehrheit der Großen Koalition gegenüber.

Die schlechte Wahlbeteiligung von unter 60 Prozent sei die Quittung für die „erdrückende Funktion“ der Großen Koalition, meinte die grüne Spitzenkandidatin Helga Trüpel. „Es hätte schlimmer kommen können“, tröstete sich gestern abend Ralf Fücks, derzeit Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung. Er hatte 1991 die Bremer Grünen in die Ampelkoalition geführt, der Henning Scherf als Bildungssenator angehört hatte. Für das Wahlergebnis machte Fücks den Kosovo-Krieg verantwortlich, der die eigenen Mitglieder „gelähmt“ habe. Offenbar hat sich dies aber nicht in Wählerstimmen für die PDS niedergeschlagen – die PDS gewann nur 0,5 Prozentpunkte hinzu und landete bei knapp 3 Prozent. Entscheidend für das schlechte Wahlergebnis der Grünen sei, so Fücks, daß es den Grünen nicht gelungen sei, die „entpolitisierte Atmosphäre zu durchbrechen“. Angesichts der eindeutigen Haltung von Henning Scherf hat sich für den früheren Kopf der Bremer Grünen die Koalitionsfrage fast erledigt. „Ich rechne mit einer Fortsetzumng der Großen Koalition.“ Die Bremer SPD lade damit aber „große Verantwortung“ auf sich, da sie die mögliche Bundesratsmehrheit für die Bundesregierung ausschlage. Für den Wahlgewinner und SPD-Spitzenkandidaten Henning Scherf geht es darum, die „Sanierungskoalition“ fortzusetzen. Die beiden Regierungsparteien haben sich auch gehütet, eine nachprüfbare Bilanz ihrer Politik unter Sanierungsaspekten vorzulegen. Sie verwiesen statt dessen auf die vielen aufgerissenen Baulöcher. Bremen hat dank Oskar Lafontaine von Bonn noch einmal Geld bekommen, insgesamt 18 Milliarden Mark, und das will ausgegeben werden. Alles, was gut und teuer ist, wurde also in Angriff genommen; das macht auch für die Wählenden die vielbeschworene „gute Stimmung“ in der Stadt aus. Jetzt oder nie, das ist die bittere Wahrheit. Wenn das gigantische Geldausgeben zur Sanierung der Staatsfinanzen führt – um so besser. Wenn nicht, dann ist Bremen noch einmal richtig aufpoliert worden.

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