: Serbischer Abzug ist nicht verhandelbar
■ Trotz „kristallklarer Anweisungen“ der Nato für Abzug der jugoslawischen Streitkräfte aus dem Kosovo zögerten Belgrads Generäle gestern mit ihrer Unterschrift. Scharping will Bundeswehrkontingent aufstocken
Kumanovo/Bonn (rtr/AP) – Die Nato hat vor dem Hintergrund der Gespräche über den Abzug der jugoslawischen Streitkräfte aus dem Kosovo mit einer erneuten Intensivierung ihrer Luftangriffe gedroht. Solange der serbische Rückzug nicht begonnen habe, dauerten die Luftangriffe an oder würden gar verstärkt, sagte Nato-Sprecher Jamie Shea gestern in Brüssel. Der jugoslawische Generalstab hatte bis gestern nachmittag einen detaillierten, sechs Seiten umfassenden Plan der Nato zum Rückzug noch nicht unterschrieben. Der Inhalt sei nicht verhandelbar, sagte Nato-Sprecher Robin Clifford in Kumanovo nahe der makedonischen Hauptstadt Skopje. In dem Plan geht es um den genauen Zeitplan des Abzugs, um Routen, Waffen und militärisches Gerät. Ein Nato-Sprecher erklärte am Sonntag, der britische General Michael Jackson, der die Nato-Delegation leitet, fordere von den Vertretern des jugoslawischen Generalstabs die Unterzeichnung des Rückzugspapiers, das praktisch auf eine Kapitulationserklärung hinauslaufe.
Nach dem am 3. Juni von Präsident Slobodan Miloevic gebilligten Friedensabkommen hat Jugoslawien sieben Tage Zeit für den vollständigen Abzug. Laut Nato können die ersten Soldaten binnen 48 Stunden nach Unterzeichnung in das Kosovo vorrücken.
Nato-Sprecher Jamie Shea sprach von „kristallklaren Anweisungen“ an die jugoslawische Armee. Die jugoslawische Delegation habe aber um mehr Zeit gebeten, um über die technischen Details des Rückzugs noch zu beraten.
Die Nato hat angekündigt, ihre am 24. März begonnenen Luftangriffe auf Jugoslawien erst dann einzustellen, wenn die jugoslawischen Truppen nachweislich mit dem Abzug aus dem Kosovo begonnen haben. In Belgrad gab es nach serbischen Medienberichten in der Nacht zum Sonntag erstmals keinen Luftalarm mehr. Shea sagte am Sonntag in Brüssel, ein Zug mit Militärs und Material sei aus der Stadt Urosevac im Süden des Kosovo in Richtung Norden losgefahren. „Das könnte den Anfang der Vorbereitungen für einen Rückzug bedeuten.“
General Jackson soll die Truppen der Nato befehligen, die nach dem Abzug der Jugoslawen aus dem Kosovo mit einer Internationalen Schutztruppe (KFOR) in die serbische Provinz einrücken soll. Diese Truppe soll 50.000 Mann umfassen, von denen bereits 22.000 Mann in Albanien und Makedonien stationiert sind. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping sagte am Samstag, die bislang geplante Zahl von 6.000 Bundeswehrsoldaten werde nicht ausreichen, um die Aufgaben im Kosovo zu bewältigen. Zusätzlich seien weitere Pionier-, Fernmelde- und Logistikeinheiten erforderlich. Scharping will am Dienstag im Bundestag ein neues Mandat für die deutschen Soldaten im Kosovo beantragen.
Das für Sonntag geplante Treffen der Außenminister der G-8-Staaten auf dem Petersberg bei Bonn wurde verschoben. Es solle das Ergebnis der Gespräche zwischen der Nato und den jugoslawischen Streitkräften einbezogen werden, hieß es aus dem Auswärtigen Amt.
Der EU-Unterhändler Martti Ahtisaari sowie Gunter Pleuger vom Auswärtigen Amt in Bonn sind am Sonntag nach Peking geflogen, um China über den Friedensplan zu informieren. China muß einer Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Beilegung des Kosovo-Konflikts als eines seiner fünf Ständigen Mitglieder zustimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen