Frontverlauf zwischen Schrank und Eßtisch

■ Mit Marius von Mayenburgs „Feuergesicht“ ist eine schaurig-absurde Tragikomödie im Brauhauskeller zu sehen

Mit dem Klotz „Valentin“ draußen in Farge hat sich das Bremer Theater gerade den Bunker schlechthin zum Kriegspielen ausgesucht. Doch damit gibt sich das Vier-Sparten-Haus nicht zufrieden. Seit dem Wochenende tobt der Kampf auch in der kleinsten der neuerdings sechs Spielstätten. Bumsti Numero zwei der zu Ende gehenden Saison heißt „Feuergesicht“ und wurde im Brauhauskeller einstudiert nach einer Vorlage des Jungdramatikers Marius von Mayenburg.

Wie so oft in den Gegenwartstragödien liegt auch bei dem 1972 in München geborenen von Mayenburg der Kriegsschauplatz in der Familie. Die Keimzelle der Gesellschaft aber ist – wie an der hervorragenden Inszenierung des Fleißer-Dramas „Fegefeuer in Ingolstadt“ gerade im Bremer Schauspielhaus zu sehen war – schon etwas länger zerrüttet. Also handelt das Post-Familiendrama von den erfolglos bleibenden Waffenstillstandsverhandlungen am Frontverlauf zwischen Schlaf- und Wohnzimmer, an Eßtisch und Vorratsschrank. Marius von Mayenburgs „Feuergesicht“ ist ein absurdes Stück Theater. Spötter könnten bemäkeln, daß er in seiner Familiengefängnisbeschreibung von Vatter, Mutter, Sohn, Tochter und ihrem Liebhaber doch ziemlich modische Themen zusammenrührt: die buchstäblich explosive Pubertät der Teenager, ihre inzestuöse Affaire, die via Zeitungslektüre von außen in den Bau dringenden Nachrichten von einem Frauenmörder. Doch von Mayenburg formuliert das alles in einer schön stelzigen Sprache und konstruiert mit pointensicher gesetzten Sprichworten und Allerweltsweisheiten ein wackelig-schauriges Dramengebilde. Und was andere Regisseure vielleicht bierernst nehmen würden, klopft der kurzfristig eingesprungene junge Spielleiter Clemens Bechtel mit großem Erfolg auf seine Tragikomik ab.

Bühnenbildner Till Kuhnert hat das ganze Familiengefängnis klinisch rein verkacheln lassen. Bei diesen anfangs in Ganzkörperkittel gehüllten von Mayenburgs könnte man buchstäblich vom Fußboden essen. Und wenn in der Klospülung nicht zufällig eine halb verkohlte Amsel liegen würde, bestünde auch an der mitten im Raum stehenden Toilette keine Infektionsgefahr. Das muß beklemmend sein, da drinnen. Von außen, das heißt von den an zwei Enden des Brauhauskellers plazierten Zuschauerbänken, ist das Ganze aber nicht unkomisch.

Ganz offensichtlich haben auch die fünf AkteurInnen ihren Spaß an der abgrundtiefen Komögödie, in deren Verlauf der pomadige Sohn Kurt alias Feuergesicht erst zum Brandstifter und dann zum Mörder wird. Neben Franz Sodann als Kurt, Henriette Cejpek als Mutter, Andreas Herrmann als Vater und Katrin Heller als Tochter Olga wollen wir nur noch Thomas Ziesch in der Rolle ihres Freundes Paul dafür loben, daß er einen Macker auch ganz zielgenau parodistisch spielen kann. Christoph Köster

Weitere Aufführungen: 10., 12., 17. und 25. Juni, 20.30 Uhr, Brauhauskeller