: Streit um Patent für Nabelschnurblut
■ Das Europäische Patentamt muß entscheiden, ob die US-Firma Biocyte Lizenzgebühren für die Einlagerung und therapeutische Verwendung von Nabelschnurblut kassieren darf
Seit gestern wird vor dem Europäischen Patentamt (EPA) in München darüber gestritten, ob das US-Unternehmen Biocyte das alleinige Verwertungsrecht für Nabelschnurblut zu Recht zugesprochen bekommen hat. Das sogenannte Babyblut-Patent hatte das EPA bereits 1996 unter der Patentnummer EP 343 217 erteilt. Das Patent mußte neu verhandelt werden, nachdem mehrere Einsprüche eingingen. Außer dem in München beheimateten Koordinationsbüro „Kein Patent auf Leben“ der Grünen-Europaabgeordneten Hiltrud Breyer hatte auch die internationale Ärzteorganisation „Eurocord Transplant“ einen Einspruch eingelegt. Drei Tage hat das EPA für die Anhörung der Patentgegner angesetzt. Spätestens morgen wird die Entscheidung fallen, ob das Biocyte-Patent widerrufen werden muß.
„Dieses Patent gewährt der Firma eine völlig ungerechtfertigte Monopolstellung über die Verwendung der medizinisch wichtigen Zellen, zum Beispiel als Ersatz für Knochenmarkstransplantationen“, kritisieren die Patentgegner. Sowohl „Kein Patent auf Leben“ als auch die grüne Europapolitikerin Breyer lehnen Patente auf Menschen und Teile des menschlichen Körpers als Verstoß gegen die guten Sitten grundsätzlich ab.Menschliches Blut könne „nicht als Erfindung angesehen werden“, meint Christoph Then, dessen Einspruch von dem Münchner Koordinationsbüro unterstützt wird. Durch das Patent würden Ärzte zudem in ihrer therapeutischen Freiheit eingeschränkt. Sie könnten im Widerspruch zu den Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens, das grundsätzlich keine therapeutischen Verfahren unter Patentschutz stellt, in direkte Abhängigkeit vom Patentinhaber geraten.
Nabelschnurblut, das mittlerweile weltweit an vielen Kliniken vorsorglich gleich nach der Geburt tiefgefroren eingelagert wird, kann zum Beispiel als Ersatz für Knochenmarkspenden bei einer späteren Leukämieerkrankung verwendet werden. Der Vorteil: Die aufwendige Suche nach einen geeigneten Spender, dessen Gewebemerkmale mit denen des Patienten übereinstimmen, entfällt. Gegen eine Jahresgebühr übernehmen Kliniken und kommerziell orientierte Institutionen die Aufarbeitung und Einlagerung der Blutzellen.
Auch in Deutschland bieten mehrere Universitätskliniken und Unternehmen diesen Dienst an. Eines von ihnen ist die Leipziger Firma Vita 34. Eberhard Lampeter, Geschäftsführer des Unternehmens, ist jedoch zuversichtlich, daß das Biocyte-Patent gekippt wird. Das Patent umfasse „im wesentlichen drei Verfahren, die aber seit längerem schon bekannt sind“, sagt Lampeter. Es fehle ganz einfach der vom Patentrecht geforderte Neuigkeitswert. „Ich kann mir daher nicht vorstellen, daß das Patent anerkannt wird.“ Sollte das EPA doch anders entscheiden, werden bei dem Leipziger Unternehmen sowie den betroffenen Universitäten, die ebenfalls Nabelschnurblut aufbewahren und zur Therapie einsetzen, Lizenzforderungen eingehen. Sie werden dann an den Patentinhaber Biocyte für jede eingefrorene oder verwendete Probe Gebühren abführen müssen.
Die Patentgegner glauben nicht, daß es dazu kommen wird, denn Biocyte hielt es noch nicht einmal für nötig, einen Vertreter zur Anhörung in München zu schicken. „Das läßt darauf schließen“, so Breyer, „daß selbst Biocyte die Verteidigung seines Patentes für aussichtslos hält.“ Wolfgang Löhr
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