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Südafrikas ANC holt Erzfeind mit ins Boot

Geschacher nach den Wahlen: Die Partei Nelson Mandelas verfehlt die Zweidrittelmehrheit hauchdünn – nun wird für die „nationale Einheit“ eine Koalition mit Zulu-Führer Buthelezi angestrebt  ■   Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Nur um Bruchteile von Prozenten hat der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) in den zweiten demokratischen Wahlen in Südafrika die für Verfassungsänderungen nötige Zweidrittelmehrheit verfehlt. Dem amtlichen Endergebnis zufolge, das am Montag abend in einer großen Feier im Rechenzentrum der Unabhängigen Wahlkommission in Pretoria vorgestellt wurde, erhielt die Partei 66,4 Prozent der Stimmen. Mit 266 von 400 Parlamentssitzen fehlt ihr einer zur Zweidrittelmehrheit.

In acht von neun Provinzen ist der ANC stärkste Partei, in sieben hat er weit mehr als eine absolute Mehrheit, in sechs eine Zweidrittelmehrheit, in den nördlichen Landesteilen sogar um die 80 Prozent. Allzu große Besorgnis herrscht vorerst nicht über dieses Ergebnis, das auch keineswegs überraschend kam. Die Börse blieb stabil, und selbst die nicht gerade ANC-freundliche Industrie hat dem künftigen Präsidenten Thabo Mbeki bereits „vorsichtig“ ihr Vertrauen ausgesprochen. Das Ergebnis ist auch ein persönlicher Triumph für Nelson Mandelas Nachfolger, der ein besseres Ergebnis hinlegen konnte als der verehrte erste schwarze Präsident vor fünf Jahren.

Am Montag abend präsentierte sich Thabo Mbeki dann auch erstmals als strahlender Wahlsieger und stellte gleich die Weichen für die neue Regierung. Vor mehr als 1.000 Gästen rief er den Mann nach vorne, der ohne Zweifel sein Stellvertreter werden wird: der derzeitige Innenminister Mangosuthu Buthelezi, Chef der Inkatha-Freiheitspartei (IFP), die mit 8,6 Prozent überraschend wieder zur drittstärksten Kraft in Südafrika wurde. „Ich will ihn aus der IFP heraus- und in die Regierung hineinholen“, sagte Mbeki – nur halb im Scherz.

Damit ist der Weg für eine Koalitionsregierung bereitet, die Mbeki um der „nationalen Einheit“ willen schon lange forciert. Zwar saß die IFP auch in der letzten Legislaturperiode in der Regierung, damals schrieb allerdings die Übergangsverfassung vor, daß jede Partei mit mehr als 10 Prozent der Stimmen beteiligt werden müsse. Jetzt dient die Koalitionsbildung vor allem der Befriedung der Krisenprovinz Kwazulu/Natal, wo bis in die 90er Jahre in Kämpfen zwischen ANC- und IFP-Anhängern mindestens 15.000 Menschen starben.

Noch vor fünf Jahren war Buthelezi fast bis zum letzten Tag entschlossen, die Wahlen zu boykottieren; wenig später aber wurde er zum Innenminister in Mandelas Kabinett ernannt. Jetzt wird spekuliert, daß ANC und IFP einen Kuhhandel abschließen: Im Tausch für das Amt des Vizepräsidenten in der Zentralregierung will der ANC das des Ministerpräsidenten in der Provinz Kwazulu/Natal – der einzigen, in der er keine Mehrheit holen konnte.

Im Parlament in Kapstadt haben beide Parteien gemeinsam 300 von 400 Sitzen, weit mehr als eine Zweidrittelmehrheit. Die restlichen 100 Sitze teilen sich insgesamt 11 Parteien. Das sind zwar mehr als bisher, insgesamt allerdings ist die Opposition schwächer als früher. Da es in Südafrika keine Sperrklausel gibt, haben auch winzige Splittergruppen künftig mitzureden, darunter so illustre Gestalten wie der frühere Diktator des Homelands Bophuthatswana, Lucas Mangope, dessen Vereinigte Christliche Demokratische Partei drei Mandate erhielt.

Zur offiziellen Oppositionspartei wird die liberale Demokratische Partei (DP) von Tony Leon, die mit 9,5 Prozent 38 Sitze statt bisher nur sieben erhält. Nach dem englischen Westminster-System hat die größte Oppositionspartei Sonderrechte und wird auch finanziell besser ausgestattet als andere Oppositionsparteien.

Ein Debakel erlitt hingegen die „Neue Nationale Partei“, die von mehr als 20 auf 6,9 Prozent absackte. Noch einmal mußte die Parteispitze am Montag allerdings ihrem profillosen Vorsitzenden Marthinus van Schalkwyk das Vertrauen aussprechen – mangels Alternativen.

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