: Grüne Gourmets
Ambitionierte Küchenchefs wollen nur das eine: gutes Essen servieren – das ist oft „öko“ ■ Von Eberhard Schäfer
Für ambitionierte Küchenchefs und ihre Gäste zählt allein der Wohlgeschmack. Doch für den braucht auch der beste Koch saisongerecht geerntete und absolut frische Grundprodukte. Ökologie ist hier keine Frage von Etiketten, sondern von kurzen Wegen und vom Einklang mit den Jahreszeiten.
Peter Frühsammer weiß, was seine Gäste wünschen. „Ich muß gutes Essen servieren, nicht mehr und nicht weniger“, erklärt der Manager des Restaurants „Glückstein“ in Berlin Mitte. Hier wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Küchenchefin Sonja Kugel serviert ein täglich wechselndes „Chaos-Menü“: ein Happening in zwölf Gängen. In ihre Töpfe und Pfannen kommt nur das Beste. Und sie weiß, was das ist: Das Fleisch stammt von Erzeugern, die dem undogmatisch ökologischen Neuland-Verband angehören. Ziegen und Schafskäse stammen nicht aus Griechenland oder Frankreich, sondern vom Biohof in Bayern. Sonja Kugel schwört zudem auf Biokartoffeln. Der Geschmacksunterschied zu den konventionellen Knollen sei schließlich „himmelweit“. Die Meisterin ordert die Erdäpfel beim Gastroservice Weihe, und der bezieht sie von Bauern aus dem Berliner Umland.
Hinweise auf die Öko-Herkunft der Produkte auf der „Glückstein“-Menükarte sucht man freilich vergebens. „Der Gast stellt die Frage nicht“, sagt Peter Frühsammer. Außerdem könne man in der Gastronomie in ökologischer Hinsicht niemals konsequent sein. Man serviere im „Glückstein“ schließlich auch Gänsestopfleber. Auch lasse, so Frühsammer, die Qualität der Öko-Produkte zuweilen zu wünschen übrig. Und ihr Preis sei oft arg hoch.
Noch skeptischer gibt sich gar Frühsammers Kollege Franz Raneburger, Patron der renommierten „Remise“ im idyllischen Schloßpark Glienicke. „Entweder wir trennen tausend Läuse, oder wir trennen Chemie.“ Raneburger ist überzeugt: Bei manchem Grünzeug komme man um die Giftspritze nicht herum. Doch schlimmer sei, daß er immer mehr gegen einen standartisierten Massengeschmack ankämpfen müsse. „Wenn ich zum Beispiel frischen Estragon ans Fleisch tue, mäkeln die Leute. Sie meinen, so schmeckt doch kein Estragon – weil sie nur noch den getrockneten kennen!“
Einstweilen kämpft Raneburger, der Küchenchef von der traurigen Gestalt, unablässig weiter gegen die Windmühlen des schlechten Geschmacks. Ein Fischer holt ihm Brassen und Zander aus der Havel – Zuchtfisch gibts in der „Remise“ nicht. Und wenn der Fischer nicht fischt, mutiert er zum Jäger, schießt Rehe für Raneburgers Kochtöpfe. Berühmt ist der Österreicher für seine Mehlspeisen. Für deren Zubereitung braucht er viele Eier. Allererste Qualität hat er in Bayern gefunden, garantiert von glücklichen Hühnern. Der Pferdefuß: Sie kosten vierzig Pfennig das Stück. „Da muß ich das Stück Kuchen fünfzig Pfennig teuerer machen. Manche Gäste gucken pikiert.“
Kräuter bekommt Raneburger – wie andere Berliner Spitzengastronomen – von Hans. Hans ist ein Alt-Ökofreak aus Kreuzberg, der in Wald und Flur wildes Grün nach Saison einsammelt. Im hintersten Winkel des Spandauer Forstes wachsen ein paar knorrige Bäume, Relikte aus einer Zeit vor Pflanzenzucht und Massenproduktion. Von denen pflückt der Kräuter-Hans während der kurzen Erntezeit im Sommer winzige Paradiesäpfel, kleiner als Kirschen. Sie werden von Raneburger im Kupferpfännchen glaciert und zu Ente oder Reh serviert. „Daß diese Früchte in Berlin wachsen, will mir niemand glauben.“
Das Gemüse für die „Remise“ und das „Glückstein“ kommt aus dem Berliner Umland. Peter Warnken heißt der Lieferant, der im märkischen Krieloweinen Obst- und Gemüsehandel mit dem altdeutschen Namen „Naturally Good“ betreibt. „Alles ist bio, aber ohne Siegel.“ Wichtiger seien Frische und Saisongerechtigkeit. Warnken kennt seine Bauern und weiß, welcher was in der jeweils besten Qualität anbieten kann. Wenn etwa die Mirabellen an den Bäumen reifen, fragt er den Besitzer: „Wie viele sind morgen reif für die Ernte?“ Die genannte Kilozahl meldet er seiner Kundschaft, und erst dann wird „just in time“ geerntet und prompt geliefert. Ein Lager hat Warnken nicht.
Gelassen ist Berlins Altmeister Siegfried Rockendorf, dessen Restaurant sich schon seit Jahrzehnten mit einem Michelin-Stern schmücken darf. Sein Rindfleisch läßt der Maitre auf weitem Weideland in der Schorfheide heranwachsen, Schuppengetier aus Havel und Müritz fischen (daneben hat er freilich auch frisch eingeflogenen Atlantikfisch im Programm), Gemüse vom Umlandbauern anliefern. „Man weiß: Ich möchte das Beste und zahle auch gut dafür.“ Für seine Reinickendorfer Nobelfutterkrippe im Stadtteil Hermsdorf pflegt Rockendorf seinen Garten mit 60 Kräutern. „Mittags geschnitten, abends gegessen. So ist das bei uns“, sagt Rockendorf und ist's zufrieden. Seine Gäste auch. Ungerührt legen sie 180 Mark für das Abendmenü auf den Tisch – zuzüglich Wein.
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