: Leben in Manchester, Sterben in Brighton
■ Eine Werkschau mit Weltsicht und einer kleinen Vorliebe für das Inselleben: Das Fernsehfest „Cologne Conference“ kürte die „TopTen des internationalen Fernsehens“
Mag sich der Plebs weiterhin auf Mallorca oder Ibiza vergnügen, echte Trendsetter sehen sich woanders um. Das pulsierendste Nachtleben hat derzeit Manchester. Diesen Eindruck jedenfalls vermitteln gleich zwei der insgesamt vier britischen TopTen-Beiträge, die im Rahmen des Film- und Fernsehfestes „Cologne Conference“ gezeigt werden. Gleich in den ersten Sekunden der britischen Polizeiserie „Cops“ wirbelt die Kamera über den Dancefloor. Eine Blondine feiert ausgelassen und gönnt sich auf der Toilette eine gehörige Portion Kokain, ehe sie rasch das Lokal verläßt. Eilig entfernt sie den Bauchnabelring, schlüpft in ihre Klamotten – und findet sich zu morgendlichen Dienstbesprechung auf dem Polizeirevier ein. Eine pseudo-dokumentarische Inszenierung zeigt den Arbeitsalltag der Polizisten, als habe ein Kameramann eine Streife während der Schicht begleitet. Spektakuläre Kriminalfälle sind rar, Thema ist die zermürbende Routine – wenn hier ein Selbstmörder vom Dach zu springen droht, dann steht kein redegewandter Fitz bereit, den Kandidaten von der Kante zu lokken. Er landet auf dem Pflaster, und während der zuständige Sergeant von Selbstzweifeln geplagt wird, überspielen andere den Vorfall mit einem zynischen Spruch. „Cops“ spielt in einer ungenannten Stadt „im Nordwesten Englands“, und die hat unübersehbare Ähnlichkeiten mit Manchester, Schauplatz auch der Serie „Queer as Folk“, die ähnlich schmissig anhebt. Der stets siegesbewußt auftretende Stuart und sein weniger glorioser Freund Vince toben durchs Nachtleben. Stuart stehen ereignisreiche Stunden bevor – er verführt den 15jährigen Nathan und schleppt ihn gleich mit in die Klinik, als er die Nachricht erhält, daß er Vater geworden ist ... Dancefloor-Musik bestimmt den Rhythmus, und der Tonfall ist heiter, bis in der dritten Episode erste Eintrübungen erkennbar werden. Ungeniert verfolgt der Autor Russell T. Davies die Absicht, den Zuschauer nach Art der US-Soaps auf das weitere Schicksal seiner Figuren neugierig zu machen. Dies gelingt ihm vortrefflich, und dabei ist unerheblich, daß sich das Geschehen vorwiegend in schwul-lesbischen Kreisen abspielt. Ganz ähnliche Partnerschaftsprobleme beschäftigen die heterosexuelle New Yorkerin Carrie Bradshaw – so sehr, daß sie regelmäßig eine Kolumne mit dem Titel „Sex and the City“ verfaßt. Ihr Material findet sie in ihrer direkten Umgebung, und ihre nicht ausschließlich berufsbedingten Recherchen sind denn auch Gegenstand der gleichnamigen Sitcom, die sich ihrem Gegenstand mit einem gewissen Augenzwinkern nähert. Die Serie ist amüsant und mit Sarah Jessica Parker perfekt besetzt, zu sehr jedoch auf die New Yorker Schickeria fokussiert. Damit fehlt ihr die Bodenhaftung, die themenverwandte Serien wie „Ally McBeal“ oder „Cybill“ auszeichnet. Ein ausgleichendes Maß an Erdverbundenheit bietet die exzellente Dokumentation„Death in Brighton“. Der Film stellt Zeitgenossen vor, die beruflich mit dem Tod zu tun haben, im Badeort Brighton, Anlaufstelle zahlreicher Selbstmörder. Die Filmemacher beuten ihr Sujet nicht aus und verzichten auf Schockbilder. Totengräber, Organist, Krematoriumsarbeiter erzählen von ihrer Arbeit, philosophieren, räsonieren, scherzen, und die Floskel vom typisch britischen Humor läge schon parat, wüßte man nicht aus Erfahrung, daß auch deutsche Friedhofsangestellte sich ihre Arbeit mit diesem eigentümlichen, makabren Witz erleichtern. Eine zweite Dokumentation, ebenfalls aus Großbritannien, ist dem verstorbenen Schauspieler Lee Marvin gewidmet. Gedreht hat sie John Boorman, der zwei Spielfilme mit Marvin inszenierte. Sein postumes Porträt ist ein Freundschaftsdienst, ehrerbietig, informativ, respektvoll und für diese „TopTen“-Auswahl vielleicht ein wenig zu konventionell geraten. Harald Keller Die Aufführungstermine (Köln, Rheinterrassen): „Buddy Faro“: Sa., 18.00 Uhr; „Une Minute de Silence“: Sa., 19.30 Uhr; „Death in Brighton“: Sa., 20.30 Uhr; „Sex and the City“: Sa., 21.30 Uhr; „Lee Marvin“: Sa., 22.00 Uhr; „Queer As Folk“: Sa., 23.00 Uhr; „Le Petit Voleur“: So., 18.00 Uhr; „The Cops“: So., 19.30 Uhr; „L'estate di Davide“: So., 20.30 Uhr; „Dybt Vand“: So., 21.00 Uhr
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