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Erinnerung, Verantwortung, Geld

■ Stiftungsinitiative der Wirtschaft stellt Projekt zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern vor. Summen wurden aber nicht genannt

Berlin (taz) – Für die Zwangsarbeiter, die während des 2. Weltkriegs zum Wohl des deutschen Reiches und der deutschen Industrie schufteten und die bislang für ihre Sklavenarbeit keinen Pfennig gesehen haben, herrscht seit gestern etwas mehr Klarheit. Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, ein Zusammenschluß von bislang 16 Großfirmen, stellte in Berlin die Umrisse ihres Projekts vor. Es trägt den wohlklingenden Namen „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und will den Zwangsarbeitern „unbürokratisch und schnell“ zu einer Aufbesserung ihres oft elenden Lebensabends verhelfen. Der Sprecher der Stiftung, Manfred Gentz vom Vorstand der DaimlerChrysler, machte allerdings klar, daß die beteiligten Firmen keinerlei Rechtsanspruch der Opfer gegen sich gelten lassen würden. Ihr Vorhaben sei vielmehr strikt freiwillig und humanitär motiviert.

Kurz nachdem die fünf Vorständler in Berlin sich den Fragen der Presse gestellt hatten, knallte es jenseits des Atlantik. Mehrere amerikanische Anwälte, die in Sammelklagen in den USA lebende ehemalige Zwangsarbeiter vertreten, verließen unter Protest eine Beratung im Washingtoner State Department. Sie fühlten sich von den deutschen Firmen als geldgierig verunglimpft.

Die Verzahnung des Washingtoner Eklats mit der Berliner Präsentation ist symptomatisch für den Gang der Verhandlungen. Denn in Washington versucht der amerikanische Unterstaatssekretär und Entschädigungsspezialist Stuart Eizenstatt im Verein mit Kanzleramtsminister Hombach und einer Reihe von Spezialisten und Anwälten einen Weg zu finden, wie „class actions“, also Sammelklagen der Opfer, abgewendet werden könnten. Diese Aufgabe ist alles andere als leicht, sind doch die Möglichkeiten der amerikanischen Regierung, in laufende Prozesse zu intervenieren, äußerst gering.

Die vertrackte Rechtslage hat Folgen für die ehemaligen Zwangsarbeiter. Denn die deutschen Großfirmen werden erst zahlen, wenn für sie „hinreichende Rechtssicherheit“ gewährleistet ist, sprich, wenn das Damoklesschwert möglicher doppelter Zahlung abgehängt wird. Die Bundesstiftung wiederum, die Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft und bei öffentlichen Arbeitgebern entschädigen soll, wird erst errichtet, wenn die Industriestiftung steht. Eizenstatt und Hombach haben sich selbst eine Frist bis zum September gesetzt. Was passiert, wenn bis dahin kein juristischer Lösungsweg gefunden wird?

Manfred Gentz von DaimlerChrysler versicherte auf der Pressekonferenz, man werde alles versuchen, mit den Opferverbänden zum Konsens über den Modus der Auszahlung und den Kreis der Berechtigten zu kommen, betonte allerdings, daß das Projekt in sich geschlossen und logisch sei. Gerade dieser Konsens erscheint allerdings zweifelhaft. Schon als zu Beginn der Woche erste Informationen über die Stiftung durchsikkerten, hagelte es Proteste: ungerechte Definition der verschiedenen Opfergruppen, eine viel zu geringe Stiftungssumme.

Tatsächlich ist das Kriterium der Rentenhöhe in dem aktuellen Aufenthaltsland der Zwangsarbeiter problematisch. Bernd Fahrholz von der Dresdner Bank rechtfertigte das Modell, das zur extremen Ungleichbehandlung zwischen den osteuropäischen und den „westlichen“ Berechtigten führt, mit dem Argument der Kaufkraft. 1.000 Dollar in der Ukraine seien eben etwas anderes als 1.000 Dollar in den USA.

Bleibt allerdings die Frage, ob das extrem niedrige Rentenniveau in Osteuropa und die durchweg hohen Lebensmittelpreise diese Abwägung nicht ad absurdum führen. Andererseits wurde von der Jewish Claims Conference geltend gemacht, daß eine Gleichbehandlung der vor allem jüdischen, aus den Konzentrationslagern zur Zwangsarbeit überstellten Menschen mit den anderen Zwangsarbeitern unmöglich sei, denn deren Lage sei unvergleichlich elender, ihre Ausbeutung um ein Vielfaches intensiver gewesen.

So beredt die deutschen Vorständler auch ihr Projekt in Berlin verteidigten, in einer Frage blieben sie stumm: der mutmaßlichen Höhe des Stiftungsvermögens.

Christian Semler

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