: Atommeiler zu Gaskraftwerken
Die Bundesregierung will Entscheidung über Atomkredite für die Ukraine aufschieben. Die soll von einer umweltfreundlicheren Lösung überzeugt werden ■ Von Matthias Urbach
Berlin (taz) – In kleiner Ministerrunde einigte sich die Bundesregierung darauf, die Entscheidung über den Weiterbau zweier Atomreaktoren für die Ukraine zu vertagen, um Alternativen auszuloten. Eigentlich sollte auf dem Kölner G-7-Gipfel am Wochenende eine Entschließung verabschiedet werden, in der sich die G 7 auf die Finanzierung der AKWs festlegt. Kanzler Gerhard Schröder, Umweltminister Jürgen Trittin, Kanzleramtsminister Bodo Hombach und Außenminister Joschka Fischer beschlossen am Dienstag abend, diesen Satz aus der Entschließung streichen zu lassen – was Deutschland verlangen kann, da die G 7 alles einstimmig beschließen muß.
Die grüne Abgeordnete Michaele Hustedt feierte diese Entscheidung als eine „große Stunde des Parlaments“. Es sei gelungen, „die Bundesregierung zu überzeugen, daß dem Parlament das Thema so wichtig ist, daß sie nun versuchen wird, den Weiterbau zu verhindern“. Gestern stimmten der Umweltausschuß und der Finanzausschuß des Bundestages dem Ende April eingebrachten gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen zu, keine Kredite für die ukrainischen AKWs zu geben.
Die Bundesregierung will nun die Ukraine auf dem deutsch-ukrainischen Gipfel am 6./7. Juli für eine Alternativlösung gewinnen – etwa ein Gaskraftwerk.
Weniger optimistisch als Hustedt äußerte sich der SPD-Fraktionschef Peter Struck. Zwar bestätigte er, daß auch Schröder nun versuche, von der Zusage der alten Bundesregierung für den Weiterbau runterzukommen. Wenn er das aber nicht schaffe, „sei das auch kein Problem“, sagte Struck. „Es gibt öfter die Situation, daß die Bundesregierung dem Wunsch des Parlaments nicht entsprechen kann.“ Schröder hatte in den vergangenen Wochen mehrfach durchblicken lassen, den Krediten zustimmen zu wollen, um die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.
Dabei wird auf das „Memorandum of understanding“ von 1995 zwischen der EU, den G 7 und der Ukraine verwiesen. Darin wurde zwar vereinbart, „ein kreditfinanziertes Projekt basierend auf einer möglichst preisgünstigen Planung für die Fertigstellung der Atomreaktoren Khmelnitsky 2 und Rivne 4“ vorzubereiten. Dies soll andererseits auch für andere Kraftwerke geschehen. Am Ende solle das „Investitionsprogramm die kostengünstigste Energieversorgung ermitteln“.
Den Koalitionsfraktionen zufolge sind die Atommeiler unwirtschaftlich – sie verweisen auf eine Studie der Osteuropabank, die das Projekt im Auftrag der G 7 und der EU finanzieren soll. Die Osteuropabank ist im Besitz von 70 Ländern. Ein Drittel der Stimmen halten allein die USA, Frankreich, Italien und Deutschland. Die Grünen hoffen nun, daß die Bank ohne ein positives Votum der G 7 die Finanzierung der AKWs verwerfen könnte.
Die beteiligten Länder sind sich längst nicht einig. Viele schauen abwartend auf Deutschland und Frankreich. Deren Nuklearindustrien würden von dem Weiterbau profitieren. Schon jetzt ist klar, daß die Ukraine die Kredite nicht zurückzahlen kann. Die Fertigstellung der beiden AKWs kostet etwa 1,9 Milliarden Dollar. Gaskraftwerke sind nur halb so teuer. Vielleicht, so hoffen die Grünen, ließe sich die Ukraine von den AKWs abbringen, wenn man ihr einen Teil des gesparten Geldes für andere Projekte zusagt.
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