Kartographische Katastrophen

■ Anmaßung und Identitätsstiftung: Das Kurzfilmfestival trägt mit Davor & Dahinter der deutsch-deutschen Wirklichkeit Rechnung

Ein paar Bleistifte, eine Karte von Mitteleuropa, drei Minuten Film: Mehr brauchte Franz Winzentsen 1995 nicht, um die deutsch-deutsche Problematik lakonisch auf den Punkt zu bringen. In seinem Animationsfilm Die Grenze stellte er die Teilung des Landes als rein kartographische Anglegenheit dar. Mit Bleistiften wird der Grenzverlauf über die Jahre immer stärker nachgezeichnet, nach dem Mauerfall konnten die alten Ratzefummels die Striche nie mehr ausradieren. Eine Metapher, die sitzt: Die Grenze bleibt.

Zu sehen ist Die Grenze in der Programmsektion „Davor & Dahinter“, mit der das 15. Internationale Hamburger Kurzfilmfestival sich mit der deutsch-deutschen Wirklichkeit beschäftigt. Zum einen werden Underground-Werke gezeigt, mit denen in den Achtzigern in der DDR Filmschaffende ideenreich ihr eigenes Idiom jenseits der staatlich Kontrolle entwickelten, zum anderen werden die wüsten und selbstreferentiellen Do-It-Yourself-Kracher des Westberlins der selben Zeit gezeigt. Eine Epoche, deren Ende vielleicht ganz hübsch dokumentiert wird durch Manfred O. Jelinskis Ich hasse den 9. November – eine filmische Anmaßung, ein Pamphlet gegen die Wiedervereinigung. cbu

Programm 1: Do, 17. 22.30 Uhr, 3001; Sa, 19. Juni, 17.30 Uhr, Schlachthof. Programm 2: Fr, 18., 20 Uhr, B-Movie. So, 20. Juni, 17.30 Uhr, Schlachthof