piwik no script img

Stalin, Güni & Melissa

■ Der Weinbrand spült die Rührung weg: die Obdachlosen-Doku „Münchner Freiheit“

Was wünscht sich ein Obdachloser, der seit zehn Jahren auf der Straße lebt? „Ich will viele Kinder haben, die schicke ich zur Schule, damit sie den Krieg verlernen und lernen, wie man ein Gewehr macht aus Lachen und eine Kugel aus Wind“, skandiert der 45jährige Güni in die Kamera und spült den Anflug von Rührung mit Weinbrand weg.

Güni ist einer der Obdachlosen, die der Regisseur und Kameramann Harald Rumpf seit 1985 über einen Zeitraum von zwölf Jahren hinweg mit der Kamera begleitet hat. Stalin wird ein anderer genannt, der mit seiner Freundin Steffi schon seit sieben Jahren Platte macht. Er war mal Trickgrafiker in einem Münchner Fernsehstudio, und sie arbeitete bei der Post.

Die Geschichte eines jüngeren Pärchens klingt geradezu romantisch: Melissa, die Tochter einer reichen britischen Familie, war Malerin, als sie sich in James verliebte, der seit elf Jahren die Straße sein Zuhause nennt.

Es sind Freunde, vielleicht auch nur Gleichgesinnte. Ihr Treffpunkt ist der Verkehrsknotenpunkt Münchner Freiheit. Interessant sind die Lebensgeschichten, doch wenn die Kamera den Alltag im Leben der „Gammler“ verfolgt, ist Geduld gefragt. Ihre Zungen sind vom Alkohol gelähmt. „Man braucht eine Zigarette, Alkohol, bettelt Leute an, trinkt, trinkt, trinkt, hat Hunger, wird müde und schläft“, so beschreibt Melissa ihre Tage mit James, die sie als richtige Entscheidung ansieht. Jahre später ist sie wieder in England, James wohnt nach einer existentiellen Krise in einem christlich geführten Heim. Auch Güni lebt nicht mehr in der „Freiheit“, woran sein offener Fuß und die operative Entfernung seiner Restzähne schuld waren.

Harald Rumpf zeigt in seiner Schwarz-Weiß-Montage nicht nur eine andere Seite des gängigen Münchner Stadtbildes – er schafft auch veritable Einblicke in das Leben von „Tippelbrüdern“ . stef

So, 20. bis Mi, 23. Juni, 16 Uhr, So und Mo auch 20.30 Uhr, 3001

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen