■ Filmstarts a la carte: Leiden im Namen der Exotik
Sie konnte den Klischees letzlich doch nicht entrinnen. Eigentlich war Anna May Wong, Hollywoods einziger Glamourstar chinesischer Herkunft, 1928 aus der Stadt der Illusionen nach Europa gekommen, um dort interessantere Rollen zu finden. Jahrelang hatte sie Exotinnen mit tragischem Schicksal gespielt – da die Vermischung von Rassen in amerikanischen Filmen als unschicklich galt, hielt die Dramaturgie nur selten ein Happy-End für sie bereit. Doch in Europa wirkte sie womöglich noh fremder, obwohl sie angeblich fließend Deutsch sprach und 1930 sogar in Wien Theater spielte. Ihr europäisches Filmdebüt in Richard Eichbergs mit britischem Geld entstandenen Song war jedenfalls keine Abkehr von ihren bisherigen Rollen: Anna May Wong tanzte, liebte, litt und starb wie immer. Für den Zusammenhang, in dem der Film dieser Tage gezeigt wird, erweist sich dies auch als notwendig: Beim Symposium der Stiftung Deutsche Kinemathek im Arsenal-Kino geht es nämlich um den Tumult der Gefühle. Allerdings steht zu vermuten, daß man sich in Vorträgen und Diskussionen wieder einmal vornehmlich mit Wongs Partner, dem umfangreichen Heinrich George, beschäftigen wird.
Song – Die Liebe eines armen Menschenkindes 4 17.6.; Symposium Tumult der Gefühle – Deutsche Melos 17.6.-19.6. im Arsenal
Im Weltraum kennt sich die Menschheit ja mittlerweile ganz gut aus: Zumindest in unserem Sonnensystem sind die kleinen grünen Männchen nur eine hübsche Fiktion. Dafür ist die Tiefsee unseres Planeten noch nahezu unerforscht, niemand weiß, was für seltsame Viecher da in mehreren Kilometern Tiefe ihr Unwesen treiben. Das machte sich James Cameron, der auch schon einmal die Rückkehr der Aliens inszenierte, in seinem Tiefseeabenteuerfilm The Abyss zunutze: Ein Team von Unterwasser-Ölsuchern und Soldaten soll ein verunglücktes amerikanisches Atom-U-Boot bergen und stößt in den Weiten des blauen Elements auf technisch weit überlegene, aber durchaus freundliche Lebewesen. Im Gegensatz zu vielen anderen Special-Effects-Orgien funktioniert The Abyss so gut, weil die Technik nie die Oberhand über die Geschichte gewinnt, und weil die Probleme auch unter Wasser nur allzu menschlich bleiben. Und so wird im Verlauf der Handlung nicht nur die totgelaubte Mary Elizabeth Mastrantonio wiederbelebt, sondern auch ihre Ehe mit dem kernigen Ed Harris.
The Abyss 4 21.6.-23.6. im Bali
Der etwas andere Western: Der Revolverheld (Sterling Hayden) bemüht sich, die Finger vom Colt zu lassen und spielt lieber Gitarre, derweil sich die Frauen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln duellieren. In Nicholas Rays Johnny Guitar besitzt auch der Beinahe-Lynchmord an der Saloonbesitzerin Vienna (Joan Crawford) fast lyrische Qualitäten. Zu sehen gibt es die seltsame Genrevariation im Filmmuseum Potsdam anläßlich des zwanzigsten Todestages des Regisseurs.
Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen 18.6.-20.6. im Filmmuseum Potsdam
Lars Penning
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